Der verbotene Kuss
gut. Dann reden wir nicht mit ihm darüber. “ Sie wies auf einen Garderobenständer. „Sie können Ihren Mantel dort aufhängen. Bitte, begleiten Sie mich in den Salon. Walters Wiege steht dort, solange das Hausmädchen auf dem Markt ist. Ich wollte Walter soeben schlafen legen.“ Sie blickte auf das Köpfchen ihres Sohnes, der einen blonden Haarflaum hatte. „Ich glaube jedoch, dass er schon eingeschlafen ist.“
„Ich bin sicher, Sie fragen sich, warum ich hergekommen bin“, sagte Felicity, während sie ihr zum Salon folgte.
„Nein. “ Miss Greenaway warf ihr einen Blick von der Seite zu. „Sie sind hergekommen, weil Sie wissen wollen, ob ich tatsächlich, wie Sie das in Ihrem Artikel behauptet haben, Lord St. Clairs Mätresse bin.“
Das Herz schlug Felicity bis zum Hals. „Nein, ich . . . das heißt. . . nun, ich . . .“
„Glauben Sie mir, an Ihrer Stelle hätte ich das Gleiche getan. Aber ich kann Sie beruhigen. Ich bin nicht Lord St. Clairs Mätresse und wollte es auch nie sein.“
Felicity gab einen langen Seufzer von sich. Ian hatte hundert Mal behauptet, Miss Greenaway sei nicht seine Geliebte. Sara war so gut wie überzeugt davon gewesen und Lady Bramley sich dessen sogar sicher. Aber sie, Felicity, hatte ihnen nicht glauben wollen, bis sie jetzt die Bestätigung aus Miss Greenaways Mund gehört hatte. Und sie sah auch keinen Grund, warum Miss Greenaway sie belogen haben sollte, obwohl das natürlich denkbar war.
Im Salon legte Miss Greenaway ihren Sohn in die hölzerne Wiege, die neben einem großen Sessel stand. „Es wäre schäbig von mir, würde ich die Freundlichkeit Seiner Lordschaft dadurch vergelten, dass ich seine zukünftige Gattin falsch informiere. Bitte, nehmen Sie Platz, Miss Taylor.“ Felicity setzte sich auf das hübsche weiße Sofa. In Anbetracht der Situation benahm Miss Greenaway sich sehr wohlwollend. „Ehe ich Ihnen Fragen stelle, muss ich mich für meinen Artikel entschuldigen. Ich hätte nicht in der Öffentlichkeit über Ihre Beziehung zu Lord St. Clair Mutmaßungen anstellen dürfen. Er hat mir begreiflich gemacht, dass das falsch war, vor allem deswegen, weil das Ihrem guten Ruf schaden kann.“
Miss Greenaway schmunzelte. „Meinem guten Ruf?“ Mit einer Haltung, die nur eine Gouvernante erreichen konnte, ließ sie sich neben ihrem Sohn im Sessel nieder. Felicity hatte noch nie eine Frau so aufrecht sitzen gesehen.
„Ich danke Ihnen für Ihre Besorgnis, versichere Ihnen jedoch, dass sie gänzlich unnötig ist“, fuhr Miss Greenaway fort. „Sie hatten weder mich noch Walter namentlich erwähnt, und mein guter Ruf wurde schon vor langer Zeit ruiniert. Außerdem waren unter den gegebenen Umständen ihre Mutmaßungen logisch. Wie Sie sehr gut wissen, gibt es überall dort, wo Lord St. Clair sich aufhält, Gerüchte über ihn.“
„Das stimmt.“ Felicity schluckte. „Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich hier bin. Wissen Sie, in meinem Beruf höre ich so viele Gerüchte. Und ich habe einige besonders hässliche über Lord St. Clair gehört. Ich hoffe, Sie können mir sagen, was davon wahr und was erlogen ist.“
„Ich verstehe. Was ist Ihnen zu Ohren gekommen?“
Felicity hielt es für richtiger, gleich zur Sache zu kommen. So knapp wie möglich gab sie die beiden Gespräche wieder, die sie bei Lady Brumleys Ball geführt hatte. Schweigend hörte Miss Greenaway zu, wenngleich bei der Erwähnung von Ians Onkel ihre Miene sich etwas veränderte.
„Ich weiß daher nicht mehr, was ich glauben soll, und ob diese Geschichten überhaupt stimmen. Ich hoffe, Sie können mir sagen, warum Lord St. Clair außer Landes gegangen ist, und warum es seinem Onkel nicht passt, dass er heiraten will.“
„Was hat er dazu gesagt?“
„Ich sei nur eifersüchtig“, antwortete Felicity. „Und die Sache sei es nicht wert, dass ich mir mein hübsches Köpfchen darüber zerbreche. “ Felicity reckte das Kinn. „Er will mir überhaupt nichts erzählen. Aber als seine zukünftige Gattin glaube ich, das Recht zu haben, über ihn Bescheid zu wissen.“
„Ich stimme Ihnen zu“, erwiderte Miss Greenaway. „Lassen Sie mich so viel sagen. Dem Onkel Seiner Lordschaft darf man nicht trauen. Mehr als das kann ich Ihnen nicht mitteilen. Lord St. Clair hat mich an dem Tag, an dem er mich in dieses Haus brachte, zu Schweigen verpflichtet. Ich verdanke ihm zu viel, als dass ich sein Vertrauen missbrauchen würde.“
Nein! Felicity war verzweifelt. Frustriert stand sie auf.
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