Der verbotene Kuss
hat auch mir gegenüber nicht erwähnt, dass er deine Tante geschlagen hat. Ich bin jedoch überrascht, dass er dich nicht beschuldigt hat, seine Frau getötet zu haben.“
„Ich glaube, er befürchtet, dass ich, würde er mich offen des Mordes bezichtigen, einfach lügen und ihn beschuldigen würde, ein Mörder zu sein. Für die meisten Leute klänge das viel plausibler. Tante Cynthia war seine Gattin. Ich habe Beweise dafür, dass er sie geschlagen hat. Miss Greenaway würde nur zu glücklich sein, Zeugnis gegen ihn abzulegen, da auch sie beobachtet hat, wie er seine Frau schlug. “
Das erklärte Ians anhaltendes Interesse an Miss Greenaway. Er hatte sich wie üblich einer Strategie bedient und sich Miss Greenaway warm gehalten, weil er sie vielleicht eines Tages benötigte. Und sie, Felicity, hatte das Schlimmste angenommen. Kein Wunder, dass er so böse auf sie gewesen war.
„Nein, ich bin sicher, dass mein Onkel dachte, es sei weitaus weniger riskant für ihn, wenn er dir nur erzählt, ich hätte seine Frau verführt und vergewaltigt. Das passte zu den Gerüchten, die über mich in Umlauf sind. So stehe ich als verruchter Verführer da, während er den betrogenen Ehemann spielt, eine Rolle, die ihm viel lieber ist. Aber er hat seine Lügen über mich nie überall verbreitet. Er muss gewusst haben, dass ich, wenn ich erfahre, was er den von mir umworbenen Frauen erzählt, stärkere Maßnahmen gegen ihn ergreifen könnte. Und das hätte ich getan, hätte ich nicht rechtzeitig geheiratet, um einen Erben zu bekommen.“ „Ich begreife nicht, warum dein Vater ein so abscheuliches Testament gemacht hat. Du hast ihm doch gesagt, was damals wirklich passiert ist, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Ian dumpf. „Er hat mir jedoch nicht geglaubt.“
„Nein?“ Felicity war fassungslos. „Er hat nicht dir, seinem Sohn, geglaubt, sondern seinem Bruder? Welcher Vater würde sich so verhalten?“ Oh, ihr armer Liebling, dem seine Familie viel Pein und Leid verursacht hatte! Sie drückte seinen Oberschenkel und fragte sich, wie groß sein Seelenschmerz sein mochte, wenn ihrer schon so stark war.
Er zuckte mit den Schultern, als ob das kaum eine Rolle spiele, doch Felicity wusste, es war sehr von Bedeutung. „Mein Vater hatte mir bereits die Schuld an Mutters Tod gegeben. Er fand, ich sei ein zügelloser, unbeherrschter Mensch, was ich wahrscheinlich damals auch war. Es fiel ihm leicht zu glauben, ich hätte meine Tante verführt. Meine Bewunderung für sie war ziemlich offenkundig gewesen.“ Felicity war sprachlos. Welchen Trost konnte sie Ian bieten, um den Schmerz über einen so furchtbaren Verrat zu vertreiben? Wie gut, dass Ians Vater tot war. Sonst wäre sie in Versuchung geraten, ihn umzubringen.
„In der besagten Nacht bin ich außer Landes gegangen“, fuhr Ian fort. „Ich überließ es meinen Angehörigen, sich mit den Fragen, den Gerüchten und dem Durcheinander zu befassen. Hätte ich schon damals gewusst, was ich später erfahren habe, nämlich dass Miss Greenaway und die meisten Bediensteten meines Onkels darüber informiert waren, dass er meine Tante häufig geschlagen hatte, dann wäre ich im Land geblieben und hätte versucht, meinen Vater von meiner Unschuld zu überzeugen. Aber damals wusste ich das nicht, und daher wollte ich hier nicht mehr leben und genötigt sein, meinen Onkel täglich zu sehen, die Verachtung meines Vaters zu ertragen und das abscheuliche Geheimnis für mich zu bewahren. Ich hatte meine Tante getötet. Ich wollte nur noch weg!“
Felicity setzte sich dicht neben den Gatten und ergriff seine Hände. Er drückte ihre so fest, dass sie sicher war, später die Abdrücke seiner Finger auf ihren zu sehen.
„Natürlich hat mein Vater meine Flucht zum Beweis für meine Schuld genommen. Es war dumm von mir zu fliehen, aber damals war ich erst neunzehn. Noch hatte ich nicht gelernt, erst nachzudenken, ehe man handelt. Hätte ich das schon damals gewusst, wäre meine Tante noch am Leben.“
Felicity konnte es nicht mehr ertragen, dass Ian sich dauernd die Schuld gab. „Du musst aufhören, dir Gewissensbisse zu machen, Liebling. Dein Verhalten damals ist doch verständlich!“
Der düstere Blick des Gatten bekundete ihr, dass ihre Worte keine Veränderung bewirkt hatten. „Verständlich oder nicht, ich habe zwei Kindern die Mutter genommen. Ich wette, meinen armen Cousins ist es ziemlich gleich, wie das passiert ist.“ Ian ließ die Hände der Gattin los und starrte aus dem
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