Der verbotene Kuss
gewesen sei, und sie viel Spaß gehabt hätten.
„Ich bin keinem von euch böse“, sagte Felicity, „es sei denn, ihr redet, als sei ich gar nicht hier. “ Ihr Blick schweifte über ihre Begleiter. „Ich bin wütend auf mich. Ich habe euch erlaubt, diesen abscheulichen Ort zu betreten, obwohl ich hätte standhaft bleiben sollen.“
Ian unterdrückte einen Fluch. Ja, bei ihm war sie standhaft. Aber warum war ihre Missbilligung förmlich greifbar, wenn sie ihm nicht böse war?
Verdammt! Wie hätte er ahnen sollen, dass die kleinen Halunken auseinander stieben würden, kaum dass sie die Sonderausstellung betreten hatten? Wie hätte er wissen sollen, was in dem Raum war? Na gut, zuerst waren drei abgehackte Wachsköpfe zu sehen gewesen, die auf hohen Stangen steckten. Wachsfiguren von Verbrechern hatten aufgereiht vor den Wänden gestanden, mit blutigen Äxten, blutigen Schwertern, blutigem Sonstwas. Wächsernes Blut war auf den abgehackten Gliedmaßen ihrer Opfer gewesen, und wächsernes Blut von der Klinge der Guillotine getropft, die am Ende des Raums stand.
War es seine Schuld, dass Madame Tussaud einen anscheinend endlosen Vorrat von rotem Wachs hatte? Und einen Hang zur Dramatik?
Offenbar war es seine Schuld, der Art nach zu urteilen, wie Miss Taylor ihn angeschaut hatte, dann durch die Sonderausstellung gerannt war, jeden ihrer Brüder am Jackenkragen gepackt und sie zum Ausgang gedrängt hatte. Aber da war es schon zu spät gewesen. Die Jungen hatten, bis sie George am Wickel gehabt hatte, eine gute Viertelstunde Zeit gehabt, die Schrecken der Sonderausstellung zu genießen.
Und das war der Anlass gewesen, warum Felicity ihm die Zuneigung entzogen hatte. Sie hatte sehr einsilbig mit ihm geredet und in dem Restaurant, in das er sie eingeladen hatte, kaum etwas gegessen. Jetzt saß sie wie eine von Madame Tussauds Wachsfiguren da, so weit wie möglich von ihm entfernt.
Bis dahin war alles gut gegangen. Er konnte nicht fassen, dass er seine Pläne für den Abend durch eine solche Gedankenlosigkeit zunichte gemacht hatte.
„Nun, du solltest mir nicht böse sein, Lissy“, sagte James. „Ich bin alt genug, um in die Sonderausstellung zu gehen, wenn ich das möchte. Ich bin kein Kind mehr.“
Ian unterdrückte ein Aufstöhnen, als Felicity zusammenzuckte. Wundervoll! Warum hatte James sich diesen fal-schen Augenblick dazu ausgesucht, seiner Schwester seine Unabhängigkeit vorzuhalten?
„Es ist schließlich nicht so, dass du unsere Mutter bist, Lissy. Wäre ich nicht gezwungen gewesen, die Islington Academy zu verlassen, hätte ich ganz allein in das Wachsfigurenkabinett gehen können. Und dann hätte mich niemand davon abgehalten, die Sonderausstellung zu besichtigen.“ Jäh hatte Stille im Wagen eingesetzt. Ian starrte James an. „Warum warst du gezwungen, die Islington Academy zu verlassen? Du bist ein kluger Junge und hast gute Manieren. Bestimmt hatte man keinen Grund, dich von der Schule zu verweisen.“
Vor Schreck setzte James sich aufrecht hin. „Nun, ich . . . ich ..."
„Sie haben ihn missverstanden, Sir“, unterbrach Felicity. „Er wurde nicht relegiert. Er verbringt nur einige Zeit bei uns zu Haus.“
„Ja, ja, genau so ist es. Zu Weihnachten!“
Der Bruder log genau so schlecht wie die Schwester. Ian starrte James' weiches Gesicht an. Die Absicht des Jungen, seine Geschwister zu verteidigen, war so durchsichtig. „Du weißt, es gehört sich nicht, James, Geschichten zu erzählen. Ich will die Wahrheit wissen. Hast du die Academy verlassen, weil deine Schwester in Geldnöten ist?“
James warf ihr einen hilflosen Blick zu. „Lissy . .
„Schon gut, James.“ Das Laternenlicht fiel auf ihr verschlossenes Gesicht. „Es gibt wirklich keinen Grund, Mylord, den armen Jungen so in Verlegenheit zu bringen. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann fragen Sie mich. “
„Also gut! Brauchen Sie Geld?“ Ian verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn Sie mir nicht antworten, werde ich trotzdem die Wahrheit herausbekommen. “
Felicity schaute durch das Wagenfenster und umklammerte ihr Ridikül, als müsse sie es vor einem Taschendieb sichern. „Wir brauchen kein . . . das heißt, im Moment sind wir knapp bei Kasse, weil wir darauf warten, dass Papas Nachlass geregelt wird. Sobald wir jedoch das Geld erhalten haben . . .“
„Geregelt? Aber Ihr Vater ist seit über einem Jahr tot!“ „Ja, es gibt juristische Probleme. Die Anwälte werden sie klären. In der Zwischenzeit lebe ich
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