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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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ist normal, muss man verstehen.«
    »Hat er mit Ihnen gesprochen?«
    »Ja, und? Ist doch seine Arbeit, oder?«
    »Sicher. Aber wir werden ihn trotzdem wecken.«
    »Herrgott noch mal«, sagte Émile in angewidertem Ton. »Da kann der Mensch nicht mal fünf Minuten schlafen, ohne dass man ihn anraunzt.«
    »Ich werde ihn schon nicht anraunzen, er ist mein Kommissar.«
    Unter dem Schatten von Mordents Hand öffnete Adamsberg die Augen, Émile stand auf und trat zurück. Er war schockiert, zu erfahren, dass dieser Mann Kommissar war, als wenn die Ordnung der Dinge aus den Fugen geraten wäre, als wenn Landstreicher ohne Ankündigung auf einmal Könige würden. Denn eine Sache war es, über seine Brut und über Cupido mit einem gewöhnlichem Menschen zu reden, und eine andere, mit einem Kommissar. Das heißt, mit einem Typen, der sich in den gemeinsten Befragungstechniken auskannte. Der da war ein As, hatte er gehört. Und genau dem hatte er allerhand erzählt, auf jeden Fall viel zu viel.
    »Bleiben Sie«, sagte Mordent und hielt Émile am Ärmel zurück, »das wird auch Sie interessieren. Kommissar, wir haben die Antwort vom Notar. Vaudel hat vor drei Monaten sein Testament aufgesetzt.«
    »Viel Kohle?«
    »Mehr als das. Drei Einfamilienhäuser in Garches, ein weiteres in Vaucresson, ein großes Mietshaus in Paris. Und den gleichen Wert noch mal in Kapitalanlagen und Versicherungen.«
    »Nicht weiter überraschend«, meinte Adamsberg, erhob sich ebenfalls und klopfte sich den Staub von der Hose.
    »Außer dem Pflichtteil für seinen Sohn vererbt Vaudel alles einem Fremden. Émile Feuillant.«

9
     
    Émile setzte sich, wie vor den Kopf geschlagen, auf die Treppenstufe zurück. Adamsberg blieb an den Türpfosten gelehnt stehen, den Kopf gesenkt und die Arme über dem Bauch verschränkt, nach Meinung seiner Kollegen das einzige Zeichen, woran man erkennen konnte, dass er nachdachte. Mordent lief mit unruhig pendelnden Armen hin und her, sein Blick flatterte hastig und grundlos von einem Punkt zum anderen. In Wirklichkeit dachte Adamsberg nicht nach, vielmehr sagte er sich, dass Mordent tatsächlich das Gebaren eines Graureihers hatte, der gerade einen Fisch geschnappt hat und ihn fest im Schnabel hält, noch ganz aufgeregt über seinen schnellen Fang. In diesem Fall Émile. Der, sich mit fahrigen Händen eine Zigarette drehend, das Schweigen brach.
    »Sein Kind zu enterben ist nicht normal.«
    Es stand zu viel Papier am Ende der Zigarette über, eine kleine Flamme züngelte hoch und knisterte in seinen grauen Haaren.
    »Ob er ihn mag oder nicht, er ist immerhin sein Kind«, fuhr Émile fort und rieb seine Haarsträhne, die einen Geruch von verbranntem Schwein verströmte. »Und so liebte er mich ja nun auch wieder nicht. Selbst wenn er gewusst hat, dass ich nostalgisch werden würde, und dass ich nostalgisch bin. Es stand Pierre zu.«
    »Sie sind ein barmherziger Mensch, was?«, sagte Mordent.
    »Nein, ich sage nur, dass das nicht normal ist. Aber ich
    werde meinen Teil nehmen, wir werden den Willen des Alten respektieren.«
    »Ist praktisch, der Respekt.«
    »Es geht nicht nur um den Respekt. Es geht ums Gesetz.«
    »Auch das Gesetz ist praktisch.«
    »Manchmal. Kriege ich das Haus?«
    »Das oder die anderen«, mischte Adamsberg sich ein. »Auf diese eine Hälfte des Erbes, das Ihnen zusteht, werden Sie eine satte Summe bezahlen müssen. Aber es werden Ihnen noch mindestens zwei Häuser bleiben und eine schöne Stange Geld.«
    »Ich werde meine Mutter wieder zu mir nehmen und den Hund zurückkaufen.«
    »Sie organisieren sich schnell«, sagte Mordent. »Man könnte meinen, es sei alles vorbereitet gewesen.«
    »Ja, und? Ist es nicht normal, seine Mutter zurückholen zu wollen?«
    »Ich sage nur, dass Sie nicht sonderlich überrascht wirken. Und dass Sie bereits Pläne machen. Sie könnten sich zumindest die Zeit nehmen, die Nachricht zu verdauen. Das wäre angebracht.«
    »Was angebracht ist, ist mir egal. Ich hab sie verdaut. Ich sehe nicht, warum ich Stunden damit zubringen sollte.«
    »Ich sage, Sie wussten, dass Vaudel Ihnen sein Vermögen vermachen würde. Ich sage, Sie kannten das Testament.«
    »Überhaupt nicht. Aber er hatte mir versprochen, dass ich eines Tages reich sein würde.«
    »Das kommt aufs Gleiche raus«, sagte Mordent mit dem schrägen Blick des Reihers, der dabei ist, seinen Fisch von der Flanke her zu packen. »Er hatte Ihnen angekündigt, dass Sie sein Erbe sein würden.«
    »Überhaupt nicht. Er

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