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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gäbe, zu verstehen. »Was ich mich frage, ist, was wird jetzt aus mir.«
    »Was für eine war er denn?«
    Émile reinigte sich die Nägel mit einem Stück Streichholz, er sah sorgenvoll aus.
    »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Er wollte nicht, dass man darüber spricht.«
    »Was taten Sie, Émile, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag?«
    »Das habe ich doch schon gesagt, ich war im Papagei .«
    Émile setzte ein breites, provokantes Lächeln auf und warf sein Streichholz weit fort. Nein, Émile hatte nichts von einem Halbdebilen.
    »Und sonst noch wo?«
    »Ich war mit meiner Mutter im Restaurant. Immer in demselben, hinter Chartres, den Namen und alles Übrige habe ich Ihren Kollegen gegeben. Ich führe sie jeden Samstag dahin aus. Ich weise Sie darauf hin, meine Mutter, die habe ich nie geschlagen. Mein Gott, das fehlte gerade noch. Und ich sage Ihnen auch, meine Mutter, die liebt mich abgöttisch. Ist ja normal, in gewissem Sinne.«
    »Aber Ihre Mutter geht bestimmt nicht um vier Uhr morgens schlafen. Sie sind um fünf Uhr nach Hause gekommen.«
    »Ja, und ich habe kein Licht gesehen. Er schlief nämlich immer bei Licht.«
    »Um welche Uhrzeit haben Sie Ihre Mutter abgesetzt?«
    »Schlag zehn Uhr. Danach bin ich wie jeden Samstag meinen Hund besuchen gefahren.«
    Émile holte seine Brieftasche heraus und zeigte ein schmuddeliges Foto.
    »Das ist er«, sagte er. »Zusammengerollt würde er in meine Vordertasche passen, wie ein Känguru. Als ich das dritte Mal im Knast war, hat meine Schwester erklärt, dass sie den Hund nun nicht mehr hüten wolle, und hat ihn weggegeben. Aber ich wusste, wohin, auf den Hof unserer Vettern Gérault, bei Châteaudun. Nach dem Restaurant nehme ich also den Lieferwagen und fahre zu ihm, mit Geschenken, Fleisch und anderem Zeug. Er weiß das, er wartet auf mich in der Dunkelheit, er springt übers Gatter, und wir verbringen die Nacht zusammen im Lieferwagen. Ob’s regnet oder ob’s stürmt. Er weiß, ich komme immer. Dabei ist er nicht größer als so.«
    Und Émiles Hände formten eine Kugel in der Größe eines Balls.
    »Gibt es Pferde auf diesem Hof?«
    »Gérault züchtet vor allem Rinder, zu drei Vierteln Milchkühe, zu einem Viertel Fleischkühe. Aber ein paar Pferde hat er auch.«
    »Wer weiß davon?«
    »Dass ich zu dem Hund fahre?«
    »Ja, Émile. Wir sprechen nicht vom Viehbestand Ihres Cousins. Wusste Vaudel es?«
    »Ja. Er hätte es nie geduldet, dass ich ein Tier hierher mitbringe, aber er verstand es. Er ließ mir meinen Samstagabend für meine Mutter und den Hund.«
    »Aber Vaudel kann es nicht mehr bezeugen.«
    »Nein.«
    »Und der Hund auch nicht.«
    »Der ja. Kommen Sie Samstag mit mir mit, und Sie werden sehen, dass ich Ihnen keinen Blödsinn erzähle. Sie werden sehen, wie er über den Zaun springt und zum Lieferwagen gerannt kommt. Das ist der Beweis.« »Das ist kein Beweis dafür, dass es Samstag war.« »Stimmt. Aber es ist wohl normal, dass ein Hund nicht den Wochentag sagen kann, den wir haben. Nicht mal ein Hund wie Cupido.«
    »Cupido ist sein Name«, murmelte Adamsberg.
     
    Er schloss die Augen, an die steinerne Türeinfassung gelehnt, das Gesicht wie Émile der Sonne zugekehrt. Hinter der dicken Mauer des Hauses ging die Probenentnahme ihrem Ende zu, die Passerellen wurden eingesammelt. Die Teppichstücke waren abgelöst, nummeriert, in Behältnisse gelegt worden. Was für einen Sinn konnte eine solche Tat haben? Pierre junior hätte den Alten töten können. Oder die Schwiegertochter, die möglicherweise entschlossen war, alles für ihren Mann zu riskieren. Oder Émile. Oder die Familie des Malers, der Pferde in Bronze tauchte und unglücklicherweise auch mal eine Frau. Seine Gönnerin mit Bronze zu überziehen war noch so eine Sache, die es auf der Karte von Stocks Kontinent vorher nicht gegeben hatte. Einen reichen alten Mann umzulegen, das gab es wiederum schon lange. Doch ihn zu Brei zu schlagen und im Raum zu verteilen? Warum? Man wusste nicht, was man darauf antworten sollte. Und solange man die Vorstellung nicht hat, hat man den Menschen nicht.
     
    Mordent kam auf sie zu. Mit seinem ruckartigen Gang, seinem langen, vorgereckten Hals, seinem von einem grauen Flaum bedeckten Schädel, den schnellen Bewegungen seiner Augen erinnerte er an einen müden Stelzvogel, der hier und da nach einem Fisch Ausschau hält. Er trat auf Émile zu, Adamsberg mit einem harten Blick streifend.
    »Er schläft«, sagte Émile mit leiser Stimme. »Das

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