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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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zusammengeschweißten Blocks, völlig verstört und besessen von dem Gedanken an Rache. Die Mutter hat sich sieben Monate nach ihrem Sohn umgebracht. Der Vater ist Mechaniker, die beiden anderen Söhne sind unterwegs. Einer ist Fernfahrer, der andere in der Fremdenlegion.«
    »Was meinen Sie, Mordent? Das sollte den Umweg doch wohl wert sein. Und Pierre, der enterbte Sohn? Glauben Sie nicht, dass auch er von dem Testament gewusst hat? Was läge da näher, als Émile zu verklagen und das ungeteilte Erbe zurückzubekommen? Haben Sie dem Divisionnaire gegenüber dazu etwas verlauten lassen?«
    »Die Information hatte ich nicht. Und der Richter hat seine Meinung sehr nachdrücklich formuliert. Die Akte Émile Feuillant wiegt schwer wie ein toter Esel.«
    »Seit wann bestimmt man einen Gewahrsam auf eine bloße Meinung hin? Ohne die Laboranalysen abzuwarten? Ohne irgendein reales Verdachtsmoment?«
    »Wir haben zwei reale Verdachtsmomente.«
    »Großartig, dann bitte ich um Information. Retancourt, kennen Sie sie?«
    Retancourt scharrte mit ihrem Fuß über den Boden, den Kies um sich streuend wie ein störrisches Tier. Sie besaß einen Fehler neben ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten, sie war gänzlich unbegabt für soziale Beziehungen. Eine zweideutige, heikle Situation, die subtiles Reagieren oder Geschick erforderte, machte sie unfähig, ja hilflos.
    »Was soll dieser Scheiß, Mordent?«, fragte sie mit heiserer Stimme. »Seit wann hat es die Justiz so eilig? Und wer treibt sie an?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich gehorche, mehr nicht.«
    »Sie gehorchen viel zu viel«, sagte Adamsberg. »Also, die beiden Verdachtsmomente?«
    Mordent hob wieder den Kopf. Émile lenkte von sich ab, indem er sich mit einem Zweig beschäftigte, den er anzuzünden versuchte.
    »Wir haben uns mit dem Altersheim in Verbindung gesetzt, in dem die Mutter von Émile Feuillant lebt.«
    »Es ist kein Altersheim, wo man lebt«, polterte Émile. »Es ist ein Asyl, wo man abkratzt.«
    Émile blies auf die schwache Glut, die er am Ende des Zweigs entfacht hatte. Zu grün, das Holz, dachte Adamsberg, es wird nicht Feuer fangen.
    »Die Leiterin bestätigt es: Schon seit mindestens vier Monaten erzählt Émile seiner Mutter, dass sie beide bald woanders leben werden, und wie die Made im Speck. Alle Leute wissen das.«
    »Zwangsläufig«, sagte Émile. »Ich habe Ihnen gesagt, dass Vaudel mir geweissagt hat, ich würde reich sein. Das habe ich meiner Mutter erzählt, ist doch normal, nicht? Muss ich alles wiederholen, oder was? Müssen wir uns gegenseitig nerven?«
    »Irgendwie logisch«, bemerkte Adamsberg ruhig. »Das zweite Verdachtsmoment, Mordent?«
    Diesmal lächelte Mordent. Er hat was Konkretes, dachte Adamsberg, er greift den Fisch am Bauch an. Bei genauerer Betrachtung sah Mordent schlecht aus. Eingefallene Züge, violette Schatten unter den Augen bis auf die Mitte der Wangen.
    »Es fand sich Pferdemist in seinem Lieferwagen.«
    »Und?«, sagte Émile und hörte auf zu pusten.
    »Wir haben vier Klümpchen Mist am Tatort gefunden. Der Mörder trug sie unter seinen Stiefeln.«
    »Ich habe keine Stiefel. Ich sehe den Zusammenhang nicht.«
    »Der Richter sieht ihn.«
    Émile war aufgestanden, hatte den Zweig weggeworfen, seinen Tabak und seine Streichhölzer wieder eingesteckt. Er biss sich auf die Lippen und sah plötzlich sehr müde aus. Mutlos, erbarmungswürdig, unbeweglich wie ein altes Krokodil. Allzu unbeweglich. War dies der Moment, in dem Adamsberg begriff? Die genaue Antwort sollte er nie wissen. Was er mit Sicherheit wusste, war, dass er zurückgetreten war, weg von Émile, und damit Platz gemacht hatte, wie um ihm freie Bahn zu geben. Und Émile entspannte sich auch genau mit der phantastischen Schnelligkeit eines Krokodils, das so schnell zuschnappt, dass einem keine Zeit bleibt, die Angriffsbewegung zu sehen. Bevor man noch »eins« gezählt hat, hat das Reptil das Gnu am Schenkel gepackt. Bevor man noch »eins« hätte zählen können, lagen Mordent und Retancourt am Boden, unmöglich zu sagen, wo Émile zugeschlagen hatte. Adamsberg sah ihn die Allee hinunterrennen, über eine Mauer springen, sah ihn noch einmal durch einen Garten laufen, das alles mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, mit der allein Retancourt es aufnehmen konnte. Aber Lieutenant Retancourt hatte Verspätung, sich den Bauch haltend, stand sie auf, dann stürzte sie dem Mann hinterher, setzte ihre ganze Masse ein, um das Tempo zu steigern, hievte ohne Probleme

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