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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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hatte, wenn auch zweifellos imaginäre. Er weiß mehr darüber. Der Mann ist beschlagen, er ist in der Lage, einen defekten Unterkiefer wieder zum Saugen zu bringen.«
    »Bei Vaudel?«
    Adamsberg mochte Estalère in diesem Augenblick nicht ansehen, man konnte manchmal glauben, der Brigadier täte es mit Absicht. Aber er warf einen Blick hin zu Maurel, der eilig in ein Heft kritzelte. Er hatte erfahren, dass Maurel die Aberwitzigkeiten notierte, die Estalère von sich gab, um eine Blütenlese daraus zusammenzustellen, eine Marotte, die Adamsberg keineswegs harmlos fand. Maurel fing seinen Blick auf und schlug rasch sein Heft zu.
    »Ist überprüft worden, ob Pierre junior in Avignon war, als Émile überfallen wurde?«
    »Mordent hat das übernommen. Aber die Bullen in Avignon kamen nicht in die Gänge und haben den Zeitpunkt verpasst.«
    »Verdammt, er hätte Druck machen müssen.«
    »Er hat Druck gemacht«, unterbrach ihn Adamsberg zur Verteidigung von Mordent und seinem in den Wolken treibenden Ballon-Kopf. »Gardon sagt, es gibt Laborergebnisse?«
    Automatisch erhob sich Danglard. Durch sein Gedächtnis, sein Wissen und seinen synthetischen Verstand war der Commandant prädestiniert, Berichte wissenschaftlichen Charakters zu resümieren. Ein Danglard, der sich beinahe gerade hielt, mit frischem Teint, nahezu lebhaftem Ausdruck, wie regeneriert durch sein neuerliches Eintauchen in britisches Klima.
    »Was den Körper angeht, so schätzt man, dass er in etwa vierhundertsechzig Teile zerstückelt wurde, von denen an die dreihundert anschließend zu Krümeln zerkleinert wurden, oder doch so gut wie. Manche wurden mit der Axt zerlegt, andere mit der Kreissäge, wobei sich der Täter auf einen Hauklotz gestützt hat. Die Proben weisen Splitter auf, wo die Axt benutzt wurde, oder Holzmehl, wo er mit der Säge rangegangen ist. Der gleiche Hauklotz diente für das Zerquetschen. Die im Fleisch eingedrückten Partikel von Glimmer und Quarz weisen darauf hin, dass der Mörder das Teil auf den Klotz legte, es mit einem Stück Granit beschwerte, auf den er dann mit einem Vorschlaghammer einschlug. Diese Intensivbehandlung erfuhren alle Gelenke: Knöchel, Handgelenke, Knie, Ellbogen, auch Oberarm- und Oberschenkelkopf sowie die Zähne, die pulverisiert wurden, und die Füße auf der Höhe von Fußwurzel- und Mittelfußknochen. Die Knochen des großen Zehs wurden gleichfalls zertrümmert, nicht aber die der vier anderen Zehen von zwei bis fünf. Die am wenigsten beschädigten Partien sind die Hände – mit Ausnahme der Handwurzelknochen – und lange Knochen wie Darmbein, Sitzbein, die Rippen, das Brustbein.«
    Adamsberg kam nicht mehr hinterher und hob vergeblich die Hand, um den Wortschwall zu unterbrechen. Ganz auf seine Darlegung konzentriert, redete Danglard weiter.
    »Die Wirbelsäule hat eine unterschiedliche Behandlung erfahren, Kreuzwirbel und Halswirbel wurden eindeutig stärker attackiert als Lendenwirbel und Dorsalwirbel. Bei den Halswirbeln ist von Atlas und Axis praktisch nichts übriggeblieben. Das Zungenbein ist erhalten, die Schlüsselbeine sind kaum angerührt.«
    »Halt, Danglard«, unterbrach ihn Adamsberg, der Verwirrung auf den Gesichtern las, einige hatten bereits abgeschaltet. »Wir werden das mal aufzeichnen, so wird es klarer für alle.«
    Adamsberg war ein hervorragender Zeichner, der mit wenigen schnell hingeworfenen, treffenden Strichen alles unter seiner Hand entstehen lassen konnte. Er verbrachte lange Augenblicke mit solchen Kritzeleien, im Stehen, in ein Heft oder auf ein Stück Papier, das er sich auf den Oberschenkel drückte, mit einer Graphitmine, mit Tinte oder Kohle. Seine Skizzen trieben sich überall in den Arbeitsräumen herum, der Kommissar ließ sie liegen, wo er kam und ging. Manch einer, der ihn bewunderte, nahm sie diskret an sich – so Froissy, Danglard oder Mercadet, aber auch Noël, der das nie zugegeben hätte. So zeichnete Adamsberg mit raschen Strichen auf das weiße Blatt eines Flipcharts die Umrisse eines menschlichen Körpers mit seinem Skelett, einmal von vorn, einmal von hinten, und reichte Danglard zwei Filzschreiber.
    »Markieren Sie in Rot die am stärksten massakrierten Körperpartien, in Grün die am wenigsten zerstörten.«
    Danglard zeichnete ein, was er gerade vorgetragen hatte, dann unterlegte er mit Rot den Schädel und die Genitalorgane, mit Grün die Schlüsselbeine, die Ohren, das Gesäß. Dergestalt koloriert, hatte die Zeichnung eine aberwitzige, doch

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