Der Verdacht
dagelassen, Sie können ruhig in diesem Zimmer rauchen.»
Fortschig steckte sich die ‹Little-Rose› umständlich in Brand.
«Wollen Sie für zehn Tage nach Paris fahren?» fragte der Alte wie beiläufig.
«Nach Paris?» schrie das Männchen und sprang vom Stuhl. «Bei meiner Seligkeit, falls ich eine besitze, nach Paris? Ich, der ich die französische Literatur wie kein zweiter verehre? Mit dem nächsten Zug!»
Fortschig schnappte vor Überraschung und Freude nach Luft.
«Fünfhundert Franken und ein Billett liegen für Sie beim Notar Butz in der Bundesgasse bereit», sagte Bärlach ruhig. «Die Fahrt tut Ihnen gut. Paris ist eine schöne Stadt, die schönste Stadt, die ich kenne, von Konstantinopel abgesehen; und die Franzosen, ich weiß nicht, Fortschig, die Franzosen sind doch die besten und kultiviertesten Kerle. Da kommt nicht einmal so ein waschechter Türke dagegen auf.»
«Nach Paris, nach Paris», stammelte der arme Teufel.
«Aber vorher brauche ich Sie in einer Affäre, die mir schwer auf dem Magen liegt», sagte Bärlach und faßte das Männchen scharf ins Auge. «Es ist eine heillose Sache.»
«Ein Verbrechen?» zitterte der andere.
Es gelte eins aufzudecken, antwortete der Kommissär.
Fortschig legte langsam die ‹Little-Rose› auf den Aschenbecher neben sich. «Ist es gefährlich, was ich unternehmen muß?» fragte er leise mit großen Augen.
«Nein», sagte der Alte. «Es ist nicht gefährlich. Und damit auch jede Möglichkeit der Gefahr beseitigt wird, schicke ich Sie nach Paris. Aber Sie müssen mir gehorchen. Wann erscheint die nächste Nummer des ‹Apfelschuß›?»
«Ich weiß nicht. Wenn ich Geld habe.»
«Wann können Sie eine Nummer verschicken?» fragte der Kommissär.
«Sofort», antwortete Fortschig.
Ob er den ‹Apfelschuß› allein herstelle, wollte Bärlach wissen.
«Allein. Mit der Schreibmaschine und einem alten Vervielfältigungsapparat», antwortete der Redaktor.
«In wieviel Exemplaren?»
«In fünfundvierzig. Es ist eben eine ganz kleine Zeitung», kam es leise vom Stuhl her. «Es haben nie mehr als fünfzehn abonniert.»
Der Kommissär überlegte einen Augenblick.
«Die nächste Nummer des ‹Apfelschuß› soll in einer Riesenauflage erscheinen. In dreihundert Exemplaren. Ich zahle Ihnen die ganze Auflage. Ich verlange nichts von Ihnen, als daß Sie für diese Nummer einen bestimmten Artikel verfassen; was sonst noch darin steht, ist Ihre Sache. In diesem Artikel (er überreichte ihm den Bogen) wird das stehen, was ich hier niedergeschrieben habe; aber in Ihrer Sprache, Fortschig, in Ihrer besten möchte ich es haben, wie in Ihrer guten Zeit. Mehr als meine Angaben brauchen Sie nicht zu wissen, auch nicht, wer der Arzt ist, gegen den sich das Pamphlet richtet. Meine Behauptungen sollen Sie nicht irritieren; daß sie stimmen, dürfen Sie mir glauben, ich bürge dafür. Im Artikel, den Sie an bestimmte Spitäler senden werden, steht nur eine Unwahrheit, die nämlich, daß Sie, Fortschig, die Beweise zu Ihrer Behauptung in Händen hätten und auch den Namen des Arztes wüßten. Das ist der gefährliche Punkt. Darum müssen Sie nach Paris, wenn Sie den ‹Apfelschuß› auf die Post gebracht haben. Noch in der gleichen Nacht.»
«Ich werde schreiben, und ich werde fahren», versicherte der Schriftsteller, den Bogen in der Hand, den ihm der Alte überreicht hatte.
Er war ein ganz anderer Mensch geworden und tanzte freudig von einem Bein auf das andere.
«Sie sprechen mit keinem Menschen von Ihrer Reise», befahl Bärlach.
«Mit keinem Menschen. Mit keinem einzigen Menschen!» beteuerte Fortschig.
Wieviel denn die Herausgabe der Nummer koste, fragte der Alte.
«Vierhundert Franken», forderte das Männchen mit glänzenden Augen, stolz darüber, endlich zu etwas Wohlstand zu kommen.
Der Kommissär nickte. «Sie können das Geld bei meinem guten Butz holen. Wenn Sie sich beeilen, gibt er es Ihnen schon heute, ich habe mit ihm telefoniert. - Sie werden fahren, wenn die Nummer heraus ist?» fragte er noch einmal, von einem unbesiegbaren Mißtrauen erfüllt.
«Sofort», schwur der kleine Kerl und streckte drei Finger in die Höhe. «In der gleichen Nacht. Nach Paris.»
Aber ruhig wurde der Alte nicht, als Fortschig gegangen war. Der Schriftsteller kam ihm unzuverlässiger vor denn je. Er überlegte sich, ob er Lutz bitten sollte, Fortschig überwachen zu lassen.
«Unsinn», sagte er sich dann. «Die haben mich entlassen. Den Fall Emmenberger erledige ich
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