Der Verehrer
legen lassen. An den Ohren glitzerte Straß. Ihre Aufmachung entsprach nicht Hülschs Geschmack, er fand sie etwas billig, aber er konnte sich vorstellen, daß Lisa auf viele Männer sehr anziehend wirkte.
»Es freut mich, daß es Ihnen gutgeht«, sagte er, und er meinte es auch so.
Durch seine Ermittlungen im Fall Anna Heldauer hatte er genügend Einblicke in die Familienverhältnisse bekommen, um zu der Ansicht zu gelangen, daß Lisa in jungen Jahren schon allzuviel Schweres vom Schicksal zugemutet worden war.
»Sie arbeiten wieder?« erkundigte er sich.
Nun lächelte sie. »Ja. Frederica – das ist die Frau, die Anna in Spanien kennengelernt hatte, wie Sie ja wissen – hat mir einen Job in der Agentur verschafft, in der sie auch arbeitet. Moonlight.«
»Moonlight?«
»Ein Escort-Service. Für Männer. Wir begleiten sie, wenn sie alleine sind.«
Er bemühte sich, nicht resigniert zu seufzen. Prostitution. Irgendwie hatte er so etwas geahnt.
»Nun, schön, wenn Ihnen das Spaß macht«, sagte er. Und insgeheim fügte er hinzu: Das geht dich nichts an. Du hast einen Mord aufzuklären. Nichts weiter.
»Lisa – ich darf Sie doch Lisa nennen? –, ich will endlich zum Zweck meines Besuches kommen«, fuhr er fort. »Wir sind da auf eine Spur gestoßen, an der etwas dran sein könnte. Vielleicht führt sie auch ins Leere, aber …«
»Ja?« fragte Lisa.
»Sagt Ihnen der Name Robert Jablonski etwas?«
»Nein. Ich glaube nicht. Sogar sicher nicht. Warum?«
»Die Polizei Frankfurt ermittelt gegen ihn. Er wird mit Haftbefehl gesucht. Mutmaßlich hat er in Ascona eine Frau in ihrer Wohnung ermordet, und …«
»Ascona!« sagte Lisa und machte große Augen.
Hülsch nickte. »Daß das Verbrechen ausgerechnet in Ascona geschah, hat mich alarmiert. Und auch die Art, wie die Tote zugerichtet war. Der Bericht las sich praktisch genauso wie unserer, Ihre Schwester betreffend. Sonst hätte ich nie eine Verbindung hergestellt.« Er sah, wie aufgeregt Lisa geworden war, und winkte ab. »Es kann sein, die beiden Geschichten haben nicht das geringste miteinander zu tun. Wir sollten uns nicht gleich zuviel Hoffnung machen, hier auf eine Spur gestoßen zu sein.«
»Ich wünschte so sehr, wir könnten den Kerl fassen«, sagte Lisa inbrünstig, und es klang, als sei sie selbst eine Polizeibeamtin und an den Ermittlungsarbeiten unmittelbar beteiligt. »So ein Mensch gehört für sein ganzes Leben hinter Gitter, finden Sie nicht?«
»Der Mann, der den Mord an Ihrer Schwester begangen hat, gehört nach meiner festen Überzeugung in eine geschlossene psychiatrische Klinik«, entgegnete Hülsch ernst. »Das Verbrechen trägt eindeutig die Handschrift eines Psychopathen.«
Lisa atmete tief durch; er konnte nicht genau ausmachen, ob es Verzweiflung war, was aus diesem Seufzer klang, oder auch eine Spur von Lust an der Sensation,
an der Schaurigkeit. Er kramte in seiner Jackentasche.
»Die Kollegen in Frankfurt haben uns eine Fotographie Jablonskis geschickt. Es ist unwahrscheinlich, daß Sie den Mann erkennen, aber ich wollte Ihnen das Bild trotzdem zeigen. Wo ist …«
Er fand es und reichte es ihr über den Tisch.
Sie nahm es, und er sah, daß sie die Augen aufriß und nach Luft schnappte.
»Das ist doch Benno!« rief sie überrascht.
Hülsch richtete sich auf. »Sie kennen den Mann?«
»Ja, natürlich. Er hat als Krankenpfleger im letzten Jahr ein paar Wochen lang für meinen Vater gesorgt. Er kam von so einem privaten Pflegedienst aus dem Nachbardorf.«
Die Farbe ihrer Augen schien sich zu verändern, als ihr langsam dämmerte, wie die Dinge zusammenhingen.
»So war es!« sagte sie, und nun war nur noch Entsetzen in ihrer Stimme, nicht der Hauch mehr von Sensationslust.
»Da hat er auf Anna gewartet. In ihrem eigenen Haus hat er auf sie gewartet. Und sie ist ihm direkt in die Arme gelaufen.«
10
Leona und Bernhard Fabiani trafen sich in einem Weinlokal in der Innenstadt, das Bernhard vorgeschlagen hatte. Leona hatte um das Gespräch gebeten, und Bernhard hatte sofort bereitwillig zugesagt.
»Nennen Sie einen Zeitpunkt«, hatte er gemeint. »Sie wissen, ich treffe Sie gern.«
Leona war vorher im Krankenhaus gewesen. Pauls Zustand hatte sich nicht verändert, er lag noch immer im
Koma. Zwei seiner Kollegen waren dagewesen, der eine von ihnen hatte mit den Tränen gekämpft.
»Ihn so daliegen zu sehen … es ist entsetzlich. Ganz entsetzlich. Sind Sie seine Frau?«
Bezeichnenderweise hatten Pauls Kollegen Olivia
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