Der Verehrer
Schauen Sie, Leona«, über den Tisch griff er nach ihren Händen, hielt sie fest, »ich weiß, es ist leicht gesagt, wenn man Sie nun beschwört, Mut und Vertrauen zu bewahren. Aber es ist das einzige, was Sie tun können. Sie müssen darauf bauen, daß die Polizei ihn schnappen und daß er dann für alle Zeiten hinter den hohen Mauern einer Sicherheitsverwahrung verschwinden wird.«
»Für alle Zeiten sicher nicht«, meinte Leona mit einiger Bitterkeit. »Über kurz oder lang wird ihn ein verständnisvoller
Psychiater wieder hinauslassen, als geheilten Mann, der angeblich keine Gefahr mehr für irgend jemanden darstellt. So ist das schließlich üblich in unserer Gesellschaft. Egal, wie pervers und gefährlich ein Mensch ist, es wird immer darauf geachtet werden, daß er nur ja nicht einen Tag zu lange einsitzen muß. Pech für diejenigen, die ihm dann später wieder in die Quere kommen.«
»Es ist nicht zu ändern.«
»Das, wovon Sie sagen, es sei nicht zu ändern, wird für mich eine ständige Quelle der Angst sein. Lebenslang. Ich werde nie aufhören, ihn zu fürchten.«
Er hielt noch immer ihre Hände fest. »Denken Sie jetzt nicht daran. Sie machen sich verrückt damit. Denken Sie an irgend etwas anderes, nicht an Robert Jablonski.«
»Das erscheint mir ziemlich schwierig«, sagte Leona, »aber ich werde es versuchen.«
Bernhard lächelte, ließ ihre Hände los. »Reden wir jetzt nicht von Robert«, schlug er vor, »reden wir von mir.«
Das kam so unverblümt, daß Leona lachen mußte. »Gern. Reden wir von Ihnen.«
Er schenkte ihr und sich neuen Wein ein. »Ich möchte Ihnen etwas von mir und Eva erzählen.«
»Roberts Schwester. Schon wieder Robert!«
»Aber nur am Rande. Ich muß Ihnen etwas sagen, was ich schon lange loswerden wollte. Sie erinnern sich ja, ich habe Sie damals im letzten Herbst angerufen und auf Ihr Band gesprochen, aber dann hatte ich keinen Mut, es ein zweites Mal zu versuchen. Was ich Ihnen erzählen wollte, hätte Ihnen so absurd vorkommen müssen.« Nervös spielte er mit seinem Weinglas herum. »Allerdings – nach Ihren Erlebnissen mit Robert …«
»… kann mir fast nichts mehr absurd vorkommen, meinen Sie?«
»So ungefähr. Leona, ich möchte, daß Sie etwas wissen.« Er wirkte jetzt sehr ernst. »Ich habe Eva nie betrogen. Nicht ein einziges Mal in all den Jahren unserer Ehe. Es liegt mir viel daran, daß Sie mir das glauben.«
Leona gelang es nicht, ihre Überraschung zu verbergen. »Nein? Ich dachte …«
»Sie dachten, dies sei doch der Grund für das ganze Drama? Ja, so hat es Eva dargestellt. Und sie hat ihre Umgebung auch überzeugt – was kein Wunder ist, denn sie hat ihre Anschuldigungen gegen mich sehr glaubhaft vorgebracht, zumal sie vermutlich selber überzeugt war, die Wahrheit zu sagen.«
»Ich verstehe nicht ganz …«
»Wie sollten Sie auch! Sie kannten Eva ja nicht. Eva war krankhaft eifersüchtig. Ich sage das nicht nur einfach so dahin, manchmal ist man allzu schnell mit dem Begriff krankhaft bei der Hand und tut einem Menschen unrecht damit. Aber bei Eva … es hat lange gedauert, bis ich begriff, daß mit ihr etwas nicht stimmte. Sie verdächtigte mich auf Schritt und Tritt der Untreue – vom ersten Tag unserer Beziehung an, während unserer Ehe, nach unserer Ehe. Verstehen Sie, ich konnte buchstäblich nicht einmal mit der Verkäuferin am Zeitungsstand mehr als drei Worte wechseln, ohne daß Eva meinte, ich hätte ein Verhältnis mit ihr. Es war unglaublich, was sie sich manchmal zusammenreimte. Oft war ich viel zu perplex, um überhaupt etwas zu meiner Verteidigung hervorbringen zu können.«
Er schwieg und sah Leona abwartend an.
Versucht er herauszufinden, ob ich ihm die Geschichte abnehme? fragte sie sich irritiert.
»Sie meinen«, sagte sie schließlich, »Eva war wie Robert?«
»Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen, oder? Sie
sind Geschwister, sind zusammen aufgewachsen. Ich habe keine Ahnung, was falsch gelaufen ist, aber wenn da etwas war, kann es durchaus beide betreffen. Robert hat eine schwere Störung, das steht ja nun fest. Eva war harmloser – aber vielleicht keineswegs normaler.«
Er schwieg erneut, sah Irritation und Zweifel in Leonas Gesicht.
»Sie glauben mir nicht?« fragte er schließlich, und das klang wie eine Feststellung.
Leona beschloß, ehrlich zu sein. »Ich weiß es nicht. Ich habe schon manchmal Geschichten dieser Art gehört. Nach meiner Erfahrung haben Männer, die fremdgehen, immer
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