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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Erklärungen parat, die den Schwarzen Peter letztlich der Ehefrau zuschieben. Entweder waren es Unverständnis, Egoismus und Kälte der Gattin, die den Mann, arm und gebeutelt, förmlich in die Arme einer anderen Frau hineingetrieben haben, oder all die Geschichten haben sowieso nicht stattgefunden und sind nur Ausgeburt wilder Eifersuchtsphantasien einer neurotischen Ehefrau. Ich habe inzwischen ein gewisses Mißtrauen gegenüber all diesen Versionen entwickelt.«
    »Frauen gehen auch fremd«, sagte Bernhard, »Frauen erzählen auch Geschichten, um sich zu rechtfertigen.«
    »Okay. Das gebe ich zu. Ich war einseitig in meiner Darstellung. Aber das ändert nichts an meiner Meinung.«
    Er sah sie lange und schweigend an, und schließlich sagte er sehr sanft: »Ich wünschte, Sie würden mir glauben. «
    Leona fühlte sich unbehaglich. »Warum? Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig. Es ist ganz unerheblich, was ich von all dem denke.«
    »Für mich ist es nicht unerheblich. Ich wünschte, Sie hätten eine einigermaßen gute Meinung von mir.«

    Es irritierte sie, was er sagte und wie er es sagte. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und sagte hastig: »Es ist schon ziemlich spät. Ich sollte nach Hause gehen. Morgen muß ich früh raus.«
    »Habe ich Sie irgendwie verärgert?« fragte Bernhard betroffen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Machen Sie sich keine Gedanken. Es war ein langer Tag, und ich bin ziemlich müde.«
    Er begleitete sie noch zu ihrem Auto. »Sehen wir uns demnächst wieder?« fragte er.
    Leona wollte irgend etwas Nettes, Unverbindliches antworten, aber im Schein der Straßenlaternen konnte sie einen Ernst in seinem Gesicht erkennen, der ihr das Gefühl gab, nicht ausweichen zu können.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie daher, »ich weiß gar nichts im Moment, verstehen Sie? Mein Leben ist aus den Fugen geraten, und ich sehe mich nicht in der Lage, Pläne zu machen oder mich auf irgend etwas einzulassen. Ich weiß nicht, ob Sie das nachvollziehen können, aber …«
    »Doch«, sagte er, »das kann ich. Sie müssen sich vorkommen wie in einem Alptraum.«
    Sie lächelte, dankbar für sein Verständnis. »Irgendwann«, sagte sie, »ist er vielleicht vorbei.«
    »Ganz sicher. Jablonski wird eine Schauergeschichte aus Ihrer Vergangenheit sein – etwas zum Gruseln für Ihre Kinder und Enkel.« Er neigte sich vor und küßte sie kurz auf die Wange. »Gute Nacht, Leona. Kommen Sie gut heim. Passen Sie auf sich auf.«
    Sie würde auf sich aufpassen. Sie würde hupen, wenn sie daheim ankam, Wolfgang würde herauskommen und sie vom Auto abholen. Sie machten das jetzt immer so, wechselseitig, wenn einer von ihnen nach Einbruch der
Dunkelheit nach Hause kam. Sie hatten das nicht abgesprochen; in stillschweigender Übereinkunft geschahen solche Dinge jetzt, weil sie beide wußten, in welcher Gefahr sie schwebten, und daß sie sich nicht mehr normal verhalten konnten, weil ihr ganzes Leben jegliche Normalität verloren hatte.
    11
    Weissenburger sah noch dürrer und mürrischer aus als sonst. Er war diesmal nicht in Anzug und Krawatte, sondern trug Jeans, die ihm zu weit waren, und ein Polohemd, das nichts tat, seine abfallenden Schultern zu kaschieren. Es war ein Samstag, und er hatte Wolfgang und Leona im Garten angetroffen.
    »Ganz schön heiß heute«, sagte er anstelle einer Begrüßung, »für Anfang Mai ganz erstaunlich.«
    Leona legte die Gartenschere weg, streifte die Handschuhe ab. »Herr Weissenburger! Was führt Sie zu uns?«
    Auch Wolfgang trat heran. »Ist etwas geschehen?« fragte er ahnungsvoll.
    Neben einem leichten Schweißgeruch verströmte Weissenburger eine fühlbare Nervosität, die nicht zu seiner trocknen, stets etwas gelangweilten Art paßte.
    »Nun … wie man es nimmt …«, deutete er an.
    »Möchten Sie etwas trinken?« fragte Leona.
    Als Weissenburger mit einem Glas Apfelsaft in der Hand auf einem der Gartenstühle im Schatten der Sonnenschirme saß, rückte er endlich mit der Sprache heraus.
    »Ich deutete ja bereits an, daß es da noch etwas gibt … noch ein … nun, Ereignis in Jablonskis Leben …«

    »Ich nehme an, Sie meinen noch einen Mord?« fragte Wolfgang.
    »Ja«, sagte Weissenburger, »noch einen Mord. Es gibt jetzt keinen Zweifel mehr. Jablonski hat seine letzte Lebensgefährtin, nachdem sie sich von ihm getrennt und ihn verlassen hatte, aufgespürt und getötet. Das geschah bereits vor etwa einem Jahr und galt lange Zeit als ungeklärter Fall.«
    Leona befeuchtete ihre

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