Der Verehrer
gut. Niemand bemerkte mich, als ich dort herumschlich.
Mama Elisabeth machte sich an den Blumenbeeten zu schaffen. Hat eindeutig einen grünen Daumen, die Frau, aber das ist mir schon im Winter aufgefallen, an dem ganzen Zeug, das in ihrem Wohnzimmer blüht. Eigentlich
gefällt mir das. Wäre diese lauschige Familie echt , dann wäre sie die Familie, die ich mir immer gewünscht habe. Mit einer Frau mit gebärfreudigem Becken und grünem Daumen. Elisabeth ist der Typ Urmutter schlechthin. Manchmal frage ich mich, ob wir Männer in Wahrheit lebenslang nach einer Mutter suchen, viel mehr als nach einer Frau, die wir vögeln können. Als ich Elisabeth da in ihrer ganzen Fülligkeit im Garten knien und in der Erde graben sah, kam mir der Gedanke, daß dies der Traum vom Glück sein könnte: In den Armen einer Mutter versinken, ihren Atem spüren und ihren Herzschlag. Auf einmal war mir ganz klar, daß ich dies immer bei Leona zu finden gehofft hatte: Geborgenheit. Genau wie zuvor bei Anna. Beide Frauen haben nie in erster Linie sexuelles Verlangen in mir geweckt, obwohl ich sie erotisch fand und gerne mit ihnen ins Bett ging. Aber noch lieber lag ich einfach in Leonas Armen. Ganz still, ganz fern von allem. Ich träumte, wie es sich anfühlen müßte, wenn sie mich mit ihren langen Haaren zudeckte. Es ist unverzeihlich, daß sie sich die Haare hat abschneiden lassen. Unverzeihlich!
Leonas Vater spielte auf dem Rasen Fußball mit Felix, seinem kleinen Enkel. Dem Kind von Carolin und Ben. Letzterer lag in der Hängematte auf der Veranda. Nach wie vor scheint er einer geregelten Arbeit auszuweichen. Carolin konnte ich nirgends entdecken, sie war wahrscheinlich wieder einmal unterwegs. Leona deutete an, sie sei sehr umtriebig. Eine unangenehme Person. Vorlaut, sehr keß, nicht besonders intelligent. Ich mochte sie schon an Weihnachten nicht. Später tauchte sie ja dann in Leonas Verlag auf und mußte ihrer Schwester gleich einen Floh ins Ohr setzen: daß ich da unten im Café herumsitze, und warum ich das wohl tue … Ihr Mißtrauen und ihre Feindseligkeit waren greifbar für mich während dieses fürchterlichen
Mittagessens, und wie Viren schienen sie auch auf Leona überzugreifen. An jenem Tag habe ich erstmals etwas von dieser Distanz in ihrem Wesen, in ihrem Blick bemerkt, die sich später ausbreiten und schließlich als unüberwindliches Hindernis zwischen uns treten sollte. Carolin gehört jedenfalls zu den Menschen, die – als ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Baustein – dazu beigetragen haben, daß die Beziehung zwischen Leona und mir in einer Katastrophe endete. Manchmal habe ich schon überlegt, mit ihr das gleiche zu machen wie mit Millie, dieser geschwätzigen, bösartigen alten Kröte! Vielleicht mache ich es irgendwann. Bisher hat sich die Gelegenheit nicht ergeben. Außerdem habe ich zuerst Wichtigeres zu erledigen.
Eine Frau saß auf den Treppenstufen, die von der Veranda zum Garten hinunterführen. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Leona, so daß sofort mein Herz wie verrückt zu schlagen anfing. Aber natürlich war es nicht Leona. Es mußte Olivia sein, die älteste der drei Schwestern. Die Mutter von Dany, dem Krüppel. Sie hat ein schönes, sehr trauriges Gesicht. Nach allem, was Leona mir erzählt hat, ist ihre Ehe in einer Krise, weil ihr Mann nicht damit zurechtkommt, daß sie nur an dem Kind klebt und praktisch das Haus nicht mehr verläßt. Er muß ein Trottel sein! Was ist schlimmer als eine Frau, die nie das Haus verläßt? Eine Frau, die das Haus ständig verläßt! Um eine Frau wie Olivia muß ein Mann niemals Angst haben. Weder daß ihr etwas zustößt, noch daß sie mit fremden Männern herumpoussiert und abtrünnig wird. Als ich Olivia in ihrer ganzen Schönheit und Weltabgewandtheit dort auf der Treppe sitzen sah, wünschte ich brennend, sie wäre die Frau gewesen, in die ich mich verliebt hätte. Alles wäre anders gekommen, für mich und für sie. Aber so wenig sich das Schicksal dirigieren läßt, so wenig lassen sich Gefühle erzwingen. Selbst
wenn ich Olivia anstelle von Leona begegnet wäre, hätte ich mich kaum in sie verliebt. Es ist widersinnig, aber gerade Leonas fühlbare Vitalität hat mich gereizt. In Verbindung mit einer gewissen Scheu und Zurückgenommenheit, die sie damals noch hatte. Nur Scheu, nur Zurückgenommenheit wären ohne Wirkung auf mich geblieben. (Geborgenheit! Frauen müssen stark sein! Olivia ist schwach!)
Olivias Mann konnte ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher