Der Verehrer
plötzlich ausgetrockneten Lippen. »Wie …?«
»Wie er sie getötet hat? In Ihrem Interesse sollten Sie es mir ersparen, Einzelheiten zu schildern. Die Art der … ja, ich möchte fast sagen, Hinrichtung ähnelt stark dem Fall Emilie Faber. Dadurch sind die bayerischen Kollegen aufmerksam geworden und haben sich mit uns in Verbindung gesetzt. Inzwischen, wie gesagt, steht fest, daß Jablonski der Täter war.«
»Das ist natürlich eine weitere Hiobsbotschaft«, sagte Wolfgang , »obwohl die Dinge vermutlich ohnehin fast nicht mehr schlimmer werden konnten.«
»Gibt es schon irgendwelche Fahndungsergebnisse?« fragte Leona.
Weissenburger schüttelte bedauernd den Kopf. »Es sind eine Reihe von Hinweisen aus der Bevölkerung eingegangen. Aber nichts hat sich letzten Endes als tauglich erwiesen. Doch die Polizei läßt nicht nach in ihren Bemühungen. «
»Eine scheußliche Situation«, meinte Wolfgang bedrückt.
»Das können Sie laut sagen«, bestätigte Weissenburger.
»Könnte meine Frau nicht noch mehr Schutz bekommen? «
»Tut mir leid. So viele Leute haben wir nicht. Die stündlichen
Kontrollen finden nach wie vor statt, mehr ist derzeit nicht möglich.«
»Aber das ist so gut wie nichts«, sagte Wolfgang, »und das wissen Sie auch. Wenn Jablonski das Haus beobachtet, ist ihm längst klar, in welchem Rhythmus die Polizei aufkreuzt. Dazwischen hat er jede Gelegenheit zuzuschlagen. «
»Tut mir leid«, wiederholte Weissenburger, »ich kann Ihnen nichts anderes anbieten. Wenn Sie meine Meinung wissen wollen …«
»Ja?« sagte Leona.
»Tauchen Sie unter. Verschwinden Sie von hier. Sie hatten ein Verhältnis mit ihm und haben ihn verlassen. Ich habe Fotos von der Leiche der Frau gesehen, die Ihre Vorgängerin war. An Ihrer Stelle würde ich mich im hintersten Winkel der Erde verstecken.«
Es war, als tauche die Sonne hinter eine Wolke. Kühle kam auf. Leona fröstelte, während eine Hitzewelle aus dem Innern ihres Körpers Schweiß über jeden Zentimeter ihrer Haut schwemmte.
»Ich kann doch nicht …«, flüsterte sie.
In Weissenburgers kalte, überdrüssige Augen trat ein Ausdruck, der einer Regung wie Mitleid ähnelte.
»Bis wir ihn gefaßt haben, dürfte Ihnen kaum eine Wahl bleiben.«
»Wann wird das sein?« fragte Wolfgang , obwohl er wußte, daß es darauf keine Antwort geben konnte.
Ausnahmsweise schien Weissenburger einmal Mut machen zu wollen. »Ganz sicher sehr bald. Die Fahndung läuft auf Hochtouren. Er muß uns ins Netz gehen, das ist gar keine Frage.«
»Und warum können Sie meine Frau bis dahin nicht angemessen schützen?«
»Da fehlen uns die Leute und die Mittel, ich sagte es bereits. «
»Aber …«, fuhr Wolfgang auf, doch Weissenburger unterbrach ihn sofort: »Niemand hat Ihrer Frau gesagt, daß sie sich mit diesem Mann einlassen soll. Die Schuld an all dem können Sie nicht der Polizei geben. Wenn Sie wüßten, wie viele Frauen mit perversen Gewalttätern ein Verhältnis beginnen! Es ist ein Phänomen!«
»Perversion«, sagte Wolfgang, »ist selten auf den ersten Blick zu erkennen.«
Weissenburger erwiderte nichts darauf, aber seine Miene spiegelte nur allzudeutlich seine Gedanken wider: Er verachtete Leona. Er verachtete sie weit mehr, als er Robert Jablonski verabscheute. Irgendwo in seinem Verständnis der Dinge, es mochte in einem dunklen, halb unbewußten Bereich sein, fand er, daß sie nun bekam, was sie verdiente. Jede Zeit hatte ihre Zeichen und ihre Strafen. Wahllos gingen die Frauen heutzutage mit Zufallsbekanntschaften ins Bett, lebten ihre sogenannte sexuelle Freiheit aus und meinten, sich dabei nicht mehr zu nehmen, als ihnen zustand. Weissenburger fand es widerlich, wie sie aufjaulten, wenn es später daranging, die Zeche zu zahlen. Entweder sie fanden sich plötzlich unter den HIV-Positiven wieder, oder sie hatten einen Irren am Hals, wie diese Leona Dorn. Seine Frau hatte den Scheidungsantrag zugestellt bekommen, nachdem sie es auf einer Skihütte mit einem braungebrannten Sportler getrieben hatte. Ihre Strafe. Sie hatte geheult und gejammert und ihn angefleht, bei ihr zu bleiben. Klar, sie war nicht mehr die Jüngste, und allzu viele braungebrannte Sportler, die sie flachlegten, würden sich nicht mehr finden. Weissenburger kräuselte leicht die Lippen. Ihr tränenüberströmtes Gesicht im Gerichtssaal erfüllte ihn bis heute mit Genugtuung.
Er bemerkte, daß Leona ihn eindringlich musterte, und er hatte dabei das ungute Gefühl, daß sie in seinen
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