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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mußte aufpassen, was sie sagte.
    »Eva war auch ziemlich verlogen«, fuhr Robert fort. »Sicher hat sie dir auch von unserer Kindheit in Ronco erzählt? «
    »Ja. Oft.«
    »Dachte ich es mir doch. Die Geschichten hat sie jedem zu verkaufen versucht. Es war kein Wort wahr! Weißt du, wo wir aufgewachsen sind, Eva und ich? In Frankfurt – Eschborn! Klingt schon nicht mehr so toll, wie?«
    »Aber …«, fing Lydia an, brach den Satz dann jedoch erschrocken ab.
    Es wäre unklug, ihn daran zu erinnern, daß er bei gemeinsamen Treffen mit seiner Schwester und ihr selbst immer von jener Villa in Ronco hoch über dem Lago Maggiore gesprochen hatte.
    Er fixierte sie scharf. »Ja?«

    »Nichts. Ich habe mich nur gewundert. Warum sollte sie mich anlügen?«
    »Sie war ein ziemlich verdorbenes Stück. Das ist mir spätestens da aufgefallen, als sie sich diesem Professor Fabiani an den Hals schmiß. Billig, einfach billig!«
    Er stocherte mit der Gabel hektisch im Essen herum und machte ein haßerfülltes Gesicht. Lydia schwieg eingeschüchtert. In der Gegenwart dieses Mannes hatte sie das Gefühl, auf einem Pulverfaß zu sitzen. Jeden Moment konnte sich eine Katastrophe ereignen. Sie erinnerte sich an die Worte des Polizeibeamten, der bei ihr gewesen war und sie nach Robert Jablonski gefragt hatte.
    »Ich muß Sie warnen! Der Mann ist hochgradig geistesgestört und außerordentlich gefährlich!«
    Sie hatte sich das damals nicht vorstellen können. Der nette, gutaussehende Robert! Nun konnte sie es sich sehr wohl vorstellen und fror bei jedem Blick auf ihn.
    »Morgen früh werde ich dich verlassen«, sagte er. »Dein Auto und deine Scheckkarte nehme ich mit.«
    Er konnte mitnehmen, was er wollte, wenn er ihr nur nichts tat!
    »Ich verrate Sie bestimmt nicht«, versicherte sie sofort.
    Robert grinste, und wieder fluteten Kältewellen über Lydias Körper.
    »Nein«, bestätigte er, »das wirst du ganz sicher nicht tun.«
    Ihr wurde übel, und in ihren Ohren begann es zu rauschen. »Sie … ich meine, Sie werden doch nicht …«, begann sie, aber sie vermochte das Furchtbare nicht auszusprechen.
    »Was werde ich nicht? Warum redest du nicht weiter, Lydia? «

    Sie öffnete den Mund erneut, aber ihre Stimme versagte. Sie schluckte trocken.
    »Ich möchte, daß du sagst, was du sagen wolltest, Lydia«, sagte Robert sehr sanft.
    Keuchend stieß sie hervor: »Ich habe Angst, Sie bringen mich um.«
    Er musterte sie lächelnd. »Du hast Gulaschsoße am Kinn«, sagte er schließlich.
    Als sie unsicher die Hand hob, um über ihr Kinn zu tasten, neigte er sich blitzschnell über den Tisch und schlug ihr so hart auf die Finger, daß sie aufschrie – vor Schmerz und vor Schreck.
    »Hatte ich dir befohlen, es wegzumachen? Hatte ich das?«
    »Nein«, flüsterte Lydia. Unter dem Tisch preßte sie ihre mißhandelte Hand zwischen die Knie. Sie tat entsetzlich weh.
    »Ich muß Leona finden«, erklärte er, als sei nichts geschehen. »Sie versteckt sich vor mir. Sie begreift nicht, daß wir zusammengehören.« Er schob seinen Teller zurück und sah Lydia traurig an. »Anna hat das auch nicht verstanden. Frauen können manchmal ziemlich dumm sein. Sie verspielen ihr Glück – aus schierem Leichtsinn.«
    Lydia wagte nichts zu erwidern. Von der Hand aus schossen Schmerzen in ihren ganzen Körper. Es war ihr egal, welches Problem Robert mit Leona hatte, es war ihr auch egal, was aus Leona wurde. Sie wollte nur selbst irgendwie davonkommen. In vielen einsamen, dunklen Stunden hatte sie oft gedacht, Sterben sei besser als Leben, und sie war überzeugt gewesen, es würde ihr nichts ausmachen zu gehen. Und nun, in diesen Minuten, mit diesem Irren an einem Tisch, der vermutlich keinerlei Skrupel hatte, sie umzubringen, wenn das in seine Pläne paßte, merkte sie, wie sehr sie am Leben hing. Mit jeder Faser ihres
Herzens und ihres Körpers wünschte sie sich, weiterleben zu dürfen.
    Sie hatte seit ihrer Kindheit nicht mehr gebetet, aber nun flehte sie Gott wortlos an, sie zu verschonen.
    Ich werde etwas daraus machen, versprach sie, ich weiß noch nicht, was und wie, aber wie bisher wird es nicht weitergehen. Laß mich nicht sterben! Laß mich bitte nicht sterben!
    Robert stand auf. »Mahlzeit beendet! Los, Lydia, setz dich wieder in deinen Sessel dort drüben!«
    Sie wankte zu ihrem Fernsehsessel. Nachdem sie sich gesetzt hatte, fesselte er sie wieder, verklebte ihren Mund.
    Fröhlich pfeifend, begann er den Tisch abzuräumen und hörte sich dabei die

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