Der Verehrer
Hochdruck gefahndet wurde?
»Das Auto habe ich von einer lieben Freundin geliehen. Mehr brauchst du nicht zu wissen.«
Carolin schaute erneut auf. Mühsam sagte sie: »Das ist doch jetzt ganz unwichtig. Das ist völlig egal. Es geht nur um Felix.«
»Felix ist okay«, sagte Robert.
Leona überlegte fieberhaft. Er hatte sich Felix irgendwann zwischen halb zwölf und halb eins geschnappt. Um kurz nach halb vier hatten sie ihn auf der Treppe vor dem Haus sitzend angetroffen. Es waren ihm knappe vier Stunden geblieben, ein Versteck ausfindig zu machen und Felix dort unterzubringen. Das war nicht viel Zeit. Andererseits hatte er einen Wagen. Damit konnte er Felix ziemlich weit weggebracht haben.
»Also gut, Robert«, sagte sie ruhig. »Du hast das Kind, und ich nehme an, du möchtest etwas dafür, daß du uns sagst, wo es ist. Ich habe dich schon einmal gefragt: Was willst du? «
»Könnte nicht eine von euch einen richtig starken Kaffee für uns machen?« schlug Robert vor. »Ich weiß ja nicht, wie ich aussehe, aber ihr beide macht mir einen ziemlich übernächtigten Eindruck. Ein Kaffee würde uns guttun.«
Carolin erhob sich. Sie bewegte sich wie in Trance.
»Ich mach’ ihn«, sagte sie leise.
Er lächelte sie an. Es war das freundliche, nette Robert – Lächeln, das Leona von früher nur zu gut kannte.
»Ich möchte dich nur noch einmal warnen, Carolin«, sagte er. »Wenn du die Polizei anrufst, verschimmelt dein kleiner Liebling in seinem Versteck. Das hast du begriffen, oder?«
Carolin verließ wortlos das Wohnzimmer.
»Ich hatte dich gefragt, was du willst, Robert«, beharrte Leona.
Er betrachtete sie prüfend. »Ich würde gern wissen, weshalb du dir immer wieder deine Haare nachschneiden läßt, Leona. Es steht dir einfach nicht. Du warst eine Schönheit mit den langen Haaren. Jetzt siehst du ziemlich durchschnittlich aus.«
Er kramte eine Zigarettenschachtel hervor, reichte sie Leona, die den Kopf schüttelte. Er zündete sich selbst eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug. Trotz seiner zur Schau getragenen lässigen Überlegenheit konnte er nicht verbergen, wie erschöpft er war. Er hatte nicht nur eine durchwachte Nacht, er hatte harte Wochen hinter sich. Er sah gepflegt aus, aber unter seinen Augen lagen bläuliche Schatten, und beim Anzünden der Zigarette hatte seine Hand ganz leicht gezittert.
Er ist todmüde, dachte Leona, und nur eine gewisse Euphorie, kurz vor dem Ziel seiner Wünsche zu sein, hält ihn aufrecht.
»Mein Aussehen ist jetzt nicht Gegenstand des Gesprächs«, sagte sie.
»Du hast recht«, stimmte er zu, »darüber können wir später reden. Diese Dinge lassen sich alle klären.«
Er rauchte schweigend seine Zigarette. Aus der Küche
klang das Klappern von Tassen und Löffeln. Draußen zog ein strahlender Tag herauf. Es war kurz vor fünf Uhr und schon fast hell.
Plötzlich sagte Robert: »Hat da nicht jemand gerufen?«
Er richtete sich auf, sah angestrengt nach draußen.
»Da sind zwei Männer.« Er konnte seine Nervosität nicht verbergen. »Wer sind die? Was wollen die?«
Leona sah ebenfalls hinaus. »Das sind Jens und Tim. Sie waren auch bei der Party und haben geholfen, nach Felix zu suchen. Sicher wollen sie wissen, wie es nun weitergeht.«
»Okay«, sagte Robert, »okay. Du gehst jetzt raus und sagst ihnen, daß ihr Felix hier gefunden habt. Daß alles in Ordnung ist. Kapiert?«
»lch …«
»Du tust, was ich dir sage!« fuhr er sie an.
Leona stand auf, öffnete die Tür und trat hinaus auf die Veranda. Eine herrliche Luft und Vogelgezwitscher empfingen sie. Jens und Tim standen mitten auf der Wiese und sahen so blaß und müde aus wie sie alle an diesem Morgen.
»Ach, endlich, Leona!« rief Jens erleichtert. »Wir haben uns nicht getraut zu klingeln, weil wir nicht wußten, ob Sie und Carolin schlafen. Wir wollten wissen …«
»Es ist alles in Ordnung!«
Leona fand, daß sich ihre Stimme so unecht anhörte wie bei einem Schauspieler, der seine Rolle schlecht gelernt hat.
»Felix saß tatsächlich hier auf der Treppe. Also alle Aufregung umsonst. Er liegt jetzt in seinem Bett und schläft.«
»Gott sei Dank!« sagte Tim inbrünstig. »Wie geht es Carolin? «
»Sie hat sich hingelegt. Das alles war zuviel für sie.«
Leona versuchte ein Lächeln und hatte dabei das Gefühl, daß es mißlang.
»Tim, ich fürchte, wir müssen unsere Einladung zum
Frühstück rückgängig machen. Wir sind einfach zu müde. Wir werden jetzt schlafen und mittags dann
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