Der Verehrer
auszuhalten zur Zeit!«
»Hast du Ärger mit deinem Freund?«
»Mit Ben? Mit dem kann man gar keinen Ärger haben. Der hängt nur rum und labert, aber ich höre ihm nicht zu. Das Problem sind Olivia und Paul. Schlimmer als Hund und Katze. Zwischen denen wird es in allernächster Zeit ganz gewaltig scheppern, und dann ist wahrscheinlich endgültig Schluß!«
»So schlimm?«
»Mit Dany wird es immer übler. Und entsprechend schlecht geht es Olivia. Sie behandelt Paul wie einen Putzlappen. Wenn sie ihn überhaupt zur Kenntnis nimmt. Meistens ist er für sie überhaupt nicht vorhanden.«
»Sie ist verrückt«, sagte Leona kopfschüttelnd. »Paul ist ein so phantastischer Mensch. Sie macht den Fehler ihres Lebens, wenn sie ihn vergrault.«
»Er hätte schon längst jede andere haben können, so wie er aussieht«, meinte Carolin, »ich glaube, was ihn noch bei Olivia hält, ist das Gefühl, ein Schuft zu sein, wenn er sie mit einem behinderten Kind sitzen läßt. Aber irgendwann wird er einfach nicht mehr können. Dann wird er sich losreißen und gehen.«
»Ist Mami sich darüber im klaren? Hat sie mit Olivia deswegen gesprochen?«
Carolin machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Mit Olivia ist nicht darüber zu sprechen. Sie blockt sofort alles ab. Es hat keinen Sinn. Aber«, mit gespreizten Fingern versuchte sie, ihre wirren Haare zu ordnen, verstrubbelte sie dabei aber nur noch mehr, »darüber will ich jetzt gar nicht reden. Ich will das alles ja wenigstens für einen Tag mal hinter mir lassen. Eigentlich hätte ich jetzt gerne mit dir zu Mittag gegessen, wobei du allerdings bezahlen müßtest, weil ich nur noch über knapp dreißig Mark verfüge, und die brauche ich für die Heimfahrt. Aber …«
»Nichts aber!« Leona stand auf, griff nach ihrer Handtasche. »Ich ersticke zwar in Arbeit, aber für meine kleine Schwester ist trotzdem Zeit!«
Carolin sah sie unsicher an. »Aber du möchtest doch sicher lieber mit deinem Lover allein sein, oder?«
»Mit meinem Lover ?«
»Na, mit diesem … wie heißt er noch? Robert, oder?«
Leona blickte völlig verwirrt drein.
»Ich dachte, ihr seid verabredet«, sagte Carolin, »weil er in dem Café gegenüber sitzt.«
»Hier? In dem Café gegenüber dem Verlag?«
Carolin stand nun auch auf. »Ich bin mir fast sicher, daß er es war. Ich dachte, er wartet da auf dich.«
»Du hast dich bestimmt getäuscht«, meinte Leona. »Robert hat gar keine Zeit. Er sitzt bei mir daheim und übersetzt ein 800-Seiten-Manuskript vom Italienischen ins Deutsche.«
»Dann habe ich ihn wohl verwechselt«, meinte Carolin. »Komm, dann gehen wir jetzt rüber und essen eine Kleinigkeit miteinander, okay?«
Er saß an einem Tisch gleich am Fenster, drei leere Kaffeetassen und zwei ebenfalls leere Cognacgläser vor sich, und erschrak sichtlich, als die beiden Frauen plötzlich vor ihm standen. Er hatte gerade in einer Zeitung gelesen und ihr Kommen nicht bemerkt. Erst nach ein paar Sekunden faßte er sich und stand lächelnd auf.
»Leona! Und Carolin! Wie schön. Setzt euch doch zu mir!«
»Was tust du denn hier?« fragte Leona erstaunt. »Ich dachte, du bist daheim?«
»Ich wollte dich überraschen«, erklärte Robert. »In zehn Minuten wollte ich hinübergehen und dich zu einem Mittagessen abholen.«
»Das ist schon lustig«, sagte Leona. »Normalerweise holt mich niemand zum Mittagessen ab, und heute gleich zwei Leute!«
»Ich glaube, ich störe doch«, meinte Carolin unbehaglich.
»Ach was!« Leona drückte sie energisch auf einen Stuhl. »Robert und ich sind so oft allein miteinander. Du störst überhaupt nicht.«
Sie hatte den Eindruck, daß sich Robert doch gestört fühlte, aber er sagte nichts, sondern nahm ebenfalls Platz. Eine Kellnerin erschien, räumte seine Tassen und Gläser weg und nahm die Bestellungen auf. Mittags konnte man in dem Café kleine Gerichte bekommen, und sie entschieden sich alle drei für Spaghetti mit Lachs. Robert legte eine exaltierte Munterkeit an den Tag, plauderte und lachte, und die ganze Zeit über kam er Leona vor wie ein Kind, das bei irgendeinem Unrecht ertappt worden ist und nun versucht, die peinliche Situation zu überspielen. Sie verstand nicht, weshalb er das tat. Schließlich war es ein netter Einfall von ihm gewesen, sie mit einem gemeinsamen Mittagessen überraschen zu wollen.
»Warum bist du eigentlich schon so früh hierhergekommen und hast so lange im Café gesessen?« fragte sie. »Du hättest doch um ein Uhr direkt in
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