Der Verehrer
er den Anrufbeantworter laufen und ging nicht ans Telefon.
»Ich kann mich sonst nicht konzentrieren«, erklärte er.
Leona verstand und respektierte dies, aber manchmal rief sie doch an und sprach ihm ein paar liebevolle Worte aufs Band, für die er sich später stets freudig bedankte.
Eines Abends, Anfang Februar, wirkte er während des Essens etwas bedrückt, und als sie ihn darauf ansprach, sagte er zögernd: »Ich dachte nur heute darüber nach … ach, es ist wahrscheinlich dumm von mir, damit anzufangen …«
»Nein, sag doch, worüber dachtest du nach?«
Er sah sie an. »Über deine Scheidung. Deine Scheidung von Wolfgang. Es scheint mir, als geschehe gar nichts in dieser Richtung.«
»Oh …«, machte Leona überrascht.
Sie hatte nicht erwartet, daß sich Robert darüber Gedanken machte.
»Ich will mich natürlich nicht in deine Angelegenheiten einmischen«, fuhr Robert fort, »aber ich hatte gehofft, daß du jetzt … ich meine, jetzt, da wir zusammen sind … daß du entsprechende Schritte einleitest …«
Leona überlegte, weshalb sie das nicht längst getan hatte. Wolfgang lebte inzwischen seit fast einem halben Jahr von ihr getrennt. Es wurde Zeit, die Scheidung voranzutreiben, nachdem sie beide mit anderen Partnern liiert waren. Warum hatte Wolfgang in dieser Richtung nichts unternommen?
Eigentlich könnte ich diesmal die Nase vorn haben, dachte Leona.
»Ich habe irgendwie noch nicht richtig darüber nachgedacht«, sagte sie, »aber im Grunde ist Scheidung der einzig konsequente Weg, nicht? Ich werde mir einen Anwalt nehmen, der dann meinem Mann den Scheidungsantrag zustellt. Ein halbes Jahr sind wir schon auseinander. Ein weiteres halbes Jahr, und wir können geschieden werden.«
Sie redete schnell, sehr sachlich. Irgend etwas in ihr tat weh. Nicht beachten, nicht hinhören. Besser, sie stellte sich Wolfgangs Gesicht vor, wenn er den Brief ihres Anwalts las. Sicher rechnete er nicht damit, daß sie ihn aus der Ehe warf.
Er hatte ihr Mienenspiel sehr aufmerksam beobachtet. Nun griff er über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Seine Finger spielten mit dem Ring, den er ihr geschenkt hatte.
»Ich dachte nämlich«, sagte er, »je eher du geschieden bist, desto eher könnten wir heiraten!«
»Leona hat mir gar nicht erzählt, daß sie getrennt lebt von ihrem Mann«, sagte Lydia und machte ein bekümmertes Gesicht, »aber sie erzählt mir ohnehin nicht viel von sich. Ich habe sie schon so oft eingeladen zu mir, wissen Sie, aber nur ein einziges Mal ist sie gekommen. Kurz vor Weihnachten war das.«
Wolfgang saß auf der äußersten Kante des auf antik getrimmten Billig-Sofas in Lydias Wohnzimmer und verfluchte sich bereits dafür, daß er hergekommen war. Er fühlte sich wie ein Trottel. Versorgte eine wildfremde, ihm zudem höchst unsympathische Frau mit allerlei intimen Informationen über sein Privatleben und setzte sich ihren lüsternen, neugierigen Blicken aus, nur um etwas über den Kerl zu erfahren, mit dem sich Leona zu seinem Entsetzen so schnell und bereitwillig eingelassen hatte. Genaugenommen hoffte er etwas zu erfahren, was er gegen ihn verwenden, was er Leona hinknallen und womit er ihr Vertrauen in den Fremden erschüttern konnte. Am besten etwas, was jede Frau abstoßen mußte , irgend etwas Schlimmes mit anderen Frauen oder mit Kindern in seiner Vergangenheit. Inzwischen war ihm klar, daß er vermutlich nichts erfahren, sich dafür aber gründlich lächerlich machen würde.
Draußen herrschte naßkaltes Wetter, der Winter kehrte gerade noch einmal mit ganzer Kraft zurück, und nichts erinnerte an den nahenden Frühling. Lydias Wohnung war hoffnungslos überheizt. Wolfgang bedauerte, neben allem anderen, daß er einen dicken Rollkragenpullover trug. Er schwitzte so sehr, daß er sich am liebsten alles vom Leib gerissen hätte. Beim besten Willen konnte er den heißen Kaffee nicht anrühren, den Lydia vor ihn hingestellt hatte. Ein eiskaltes Bier wäre ihm weit willkommener gewesen.
Er hatte nicht gewußt, wie Lydia mit Nachnamen hieß, und sie daher nicht anrufen können; ohnedies fand er, ein Gespräch der Art, wie er es vorhatte, könne nur unter vier Augen geführt werden. Leona hatte ihm seinerzeit nach dem Unglück zweimal das Haus gezeigt, aus dessen oberstem Stockwerk Eva Fabiani in den Tod gesprungen war. Er fand es ohne Schwierigkeiten wieder. Glücklicherweise stand Lydias Vorname voll ausgeschrieben am entsprechenden Klingelschild. Als sie ihm öffnete,
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