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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kennengelernt, und der berühmte Funke war zwischen ihnen übergesprungen. Eine Geschichte, wie sie täglich passierte. Wenn an Jablonski überhaupt etwas Ungewöhnliches zu vermerken war, dann die Tatsache, daß seine Freundin im Lago Maggiore ertrunken war. Aber auch so etwas konnte schließlich vorkommen. An dem Mann schien nichts wirklich Besorgniserregendes zu sein.
    Wolfgang stand auf, blickte dabei auf seine Armbanduhr.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er höflich, »ich habe Ihre Zeit schon viel zu lange in Anspruch genommen. Ich muß wirklich gehen.«
    Gleich wird sie fragen, weshalb ich überhaupt gekommen bin, dachte er, und was sage ich dann ?
    Ihr schien diese naheliegende Frage jedoch gar nicht einzufallen. Sie schaute ihn nur flehentlich an.
    »Bleiben Sie doch noch! Ich habe nichts weiter vor.«
    »Ich habe leider eine Konferenz in meinem Sender. Ich muß weg.« Er lächelte entschuldigend. »Tut mir leid. Vielen Dank für den Kaffee.«
    Er sehnte sich so sehr nach frischer, kalter Luft, daß er am liebsten an ihr vorbei aus der Wohnung gestürzt wäre. Natürlich ging das nicht. Er mußte warten, bis sie sich endlich seufzend aus ihrem Sessel erhoben hatte und vor ihm her zur Tür schlich. Sie kämpfte um jede Sekunde. Sie tat ihm leid, aber er wollte nichts als weg. An der Wohnungstür sagte sie nachdenklich: »Irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich bei dem letzten Besuch Ihrer Frau einen Blödsinn erzählt habe. Irgend etwas, was nicht stimmt. Aber glauben
Sie, ich käme darauf? Manchmal ist das Gehirn doch wie ein großes Sieb. Meines jedenfalls.« Sie lachte unsicher.
    »Wenn es Ihnen einfällt … Sie können mich jederzeit anrufen …«
    Er bemühte sich, dies leichthin klingen zu lassen und ihr mit einer gleichmütigen Geste seine Karte zu überreichen. Er hatte riesiges Glück, sagte er sich, daß sie so naiv, so schwerfällig war. Sie hatte ihn, einen wildfremden Mann, in ihre Wohnung gelassen. Sie hatte sich nicht gewundert über seinen Besuch, wunderte sich auch jetzt nicht. Sie schien nicht zu bemerken, wie heiß er auf Informationen über Robert Jablonski war, und wenn sie es bemerkte, so irritierte es sie nicht weiter. Unerwartet war an diesem Tag ein Hauch von Leben in ihr eintöniges Dasein getreten, und sich davon einen Abglanz wenigstens für die nächsten Stunden zu bewahren war alles, was sie interessierte.
    »Ich rufe Sie an«, versprach sie mit Augen, in denen ein Hunger stand, der Wolfgang erschütterte.
    »Sie sollten einen Spaziergang machen«, schlug er vor. »Es ist kalt draußen, aber die Luft ist schön frisch.«
    Geh nur nicht zurück in dieses überheizte Wohnzimmer zu dem scheußlichen Kaffee, dem Kreuzworträtsel, dem Ticken der Uhr. Das tötet !
    Sie schüttelte den Kopf. »Ach, allein mag ich nicht spazierengehen. Das ist so traurig, wissen Sie? Aber es kommt jetzt bald eine Sendung im Fernsehen, die will ich mir anschauen. «
    Unten auf der Straße schaute er noch einmal kurz hinauf zu den Fenstern von Lydias Wohnung. Der Vorhang bewegte sich. Sie stand dort und starrte ihm nach.
     
    »Leona, darf ich dich stören?« Carolin schob den Kopf durch die Tür von Leonas Büro. »Komme ich ungelegen?«

    »Carolin? Du?«
    Leona, die sich gerade durch die Papierberge auf ihrem Schreibtisch kämpfte, blickte völlig perplex drein. Ihre jüngste Schwester war noch nie im Verlag aufgetaucht.
    »Komm doch herein! Das ist aber eine Überraschung! Was machst du in Frankfurt?«
    Carolin schlüpfte ins Zimmer. Ihre Haare hatten zur Zeit einen Stich ins Orangerote und standen ziemlich struppig vom Kopf ab. Sie trug pinkfarbene Samtleggins – bei der Kälte, dachte Leona, hoffentlich hat sie warme Strumpfhosen darunter an – und eine plüschige Jacke aus Pelzimitat. Sie wirkte ziemlich verfroren.
    »Ich mußte einfach mal raus daheim«, erklärte sie, »und da dachte ich, ich fahre in die Stadt und schaue mich ein wenig um. Einkaufen kann ich ja nichts – es herrscht wieder mal akuter Mangel!« Sie rieb vielsagend Daumen und Mittelfinger aneinander.
    »Es ist schön, dich zu sehen«, sagte Leona.
    Sie freute sich wirklich, auch wenn sie eigentlich überhaupt keine Zeit für ihre Schwester hatte. Einladend wies sie auf den Sessel, der ihrem Schreibtisch gegenüber stand.
    »Setz dich doch erst einmal!«
    Carolin ließ sich in den Sessel fallen, die langen, dünnen Beine weit von sich gestreckt.
    »Gott sei Dank, daß ich mal weg bin«, stöhnte sie, »daheim ist es nicht

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