Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
Gespräch war.
    »Ich habe dich nicht angegriffen. Ich habe nachher noch ständig überlegt, ob irgend etwas an meinem Verhalten oder an meinem Tonfall mißverständlich war. Aber das war es nicht. Das weiß ich genau.«
    »Gut, dann habe ich mir etwas eingebildet. Ist das so schlimm? Wenn ich dich irgendwie verletzt habe, tut es mir leid. Das wollte ich nicht. Ist es nun in Ordnung?«
    Eigentlich war es das nicht. Leona fühlte sich entwaffnet, noch ehe sie hatte loswerden können, was ihr auf der Seele brannte.
    »Ich habe mich erschreckt«, sagte sie. »Du warst mir so fremd in jenen Momenten.« Sie hatte den Eindruck, daß sie quengelig klang.
    »Ich hatte einen schlechten Tag, es tut mir leid«, sagte er geduldig. Was sollte sie nur erwidern? Für ihr Empfinden hatte Robert nicht einfach einen »schlechten Tag« gehabt. Es war eher so gewesen, als trete eine andere, unbekannte Seite von ihm ans Tageslicht, eine Seite, die ihr Furcht eingeflößt hatte. Aber wie würde es klingen, wenn sie das zum Ausdruck brachte? Es würde sich ziemlich neurotisch anhören, so als leide sie unter Verfolgungswahn.
    »Ich wollte ja auch nur darüber reden«, meinte sie geschlagen
und resigniert, »weil es mich dauernd beschäftigt. «
    »Du hast ja auch absolut recht«, sagte Robert sofort. »Wir sollten immer über alles reden. Es ist nie gut, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Wenn einem von uns am anderen etwas nicht gefällt, sollte er es gleich sagen. Wie du siehst, lassen sich Mißverständnisse dann ganz rasch aus dem Weg räumen.«
    Es war genauso wie seinerzeit nach seiner verspäteten Rückkehr aus Italien: Am Schluß stand er großzügig, freundlich und unkompliziert da, während sich Leona zickig und kleinkrämerisch vorkam. Und gleichzeitig doch wußte, daß sie im Recht war. Hatte nicht auch Carolin Robert als Spinner bezeichnet?
    Sie grübelte noch ein paar Tage über das Geschehnis nach und sagte sich dann, daß sie es endgültig zu den Akten legen mußte. Ständiges Nachhaken und Nachbohren würde ihre Beziehung zu Robert am Ende noch gefährden.
     
    An dem Tag, an dem sie eine Anwältin aufsuchte und die Scheidung von Wolfgang einreichte, ging es ihr schlecht. Es war der sechsundzwanzigste Februar, ein kalter Wind jagte durch die Straßen, feiner Regen sprühte in der Luft. Leona hatte der Anwältin, die ihr von einer Kollegin empfohlen worden war, den genauen Sachverhalt geschildert und zwischendurch um eine Kopfschmerztablette bitten müssen, weil sie wieder jenen inzwischen wohlbekannten Zug vom Nacken herauf spürte. Die Anwältin, eine gepflegte, blonde Dame im imitierten Chanel-Kostüm, hatte sie mitleidig gemustert.
    »Sie sehen wirklich schlecht aus! Es tut weh, wenn man verlassen wird. Ich hatte hier schon Frauen sitzen, die wollten danach kaum noch leben.«

    »Oh - ich habe inzwischen auch eine neue Beziehung«, sagte Leona rasch.
    Die schöne Blonde sollte sie bloß nicht für ein seelisches Wrack halten oder für eine Frau, die nun keinen Mann mehr zu reizen vermochte. »Mit mir ist alles in Ordnung.«
    Sie konnte die Skepsis ihres Gegenübers spüren und wußte, sie würde der Anwältin nicht deren Vorurteile ausreden können.
    Als sie später wieder auf die Straße hinaustrat und unter Wind und Regen erschauerte, schwirrte ihr der Kopf von Begriffen wie Trennungsjahr, Zerrüttung, Werteermittlung, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich. Worte, die man oft gehört und gelesen, von denen man jedoch gehofft hatte, sie würden nie eine Bedeutung im eigenen Leben erlangen.
    Sie merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, und legte den Kopf zurück, damit sie nicht über die Wangen liefen. Dunkle Wolken jagten über den Himmel, vom Sturm getrieben und zerfranst.
    Was für eine schreckliche Jahreszeit, dachte sie, was für ein schrecklicher Tag!
    Die Tränen versiegten. Leona schaute sich um. Ein Gefühl sagte ihr, daß sie beobachtet wurde. Wahrscheinlich musterte irgendein Passant höchst interessiert die nicht mehr ganz junge Frau, die mitten auf der Straße mit den Tränen kämpfte.
    Sie sah Robert, der sich von einer Hauswand löste und lächelnd auf sie zukam.
    »Ich wollte dich abholen, Leona. Ich dachte mir, daß dich das Gespräch mit deiner Anwältin vielleicht etwas aufwühlen würde.«
    Sie war restlos gerührt, dankbar, beschämt wegen der vielen bösen Gedanken, die sie während der letzten Tage gehegt hatte.

    »Du bist wirklich ein Schatz, Robert. Ich weiß gar nicht,

Weitere Kostenlose Bücher