Der Verehrer
verkauft habe. Denkst du, ich habe das Geld seither in einem Strumpf unter dem Bett liegen? Ich habe davon gelebt. Ich bin gereist, habe in schönen Hotels gewohnt, habe meine Freundin verwöhnt … Ich bin kein Mensch, der Aktien kauft oder irgendwelche großen Investitionen tätigt. Wenn ich Geld habe, gebe ich es aus. Wenn ich keines habe …«
Er machte eine gleichgültige Bewegung mit beiden Armen, die Leona mehr ahnte, als sah.
Früher, dachte sie, hätte ich das alles seiner künstlerischen Ader zugeschrieben. Und heute ärgert es mich komischerweise nur noch. Wenn jemand sein Geld so idiotisch verschleudert, kann ich dafür kein Verständnis mehr aufbringen.
Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und bemerkte, daß Millie sie erwartungsvoll ansah. Irgendeine Frage hatte sie gestellt … ach ja, ob sie für immer mit Robert an den Lago Maggiore ziehen wolle.
»Ich habe meinen Beruf in Frankfurt«, sagte sie, »ich werde also dort bleiben.«
Millie musterte sie neugierig. Leona konnte sehen, daß ihr wohl noch eine ganze Reihe weiterer Fragen auf der Zunge lagen.
»Ich will ja nicht indiskret sein«, sagte sie denn auch prompt, »aber schon als Sie am ersten Tag zu mir kamen, um sich Putzmittel auszuleihen, war ich sehr erstaunt. Sie sind so … ganz anders als Ihre Vorgängerin.«
Leona hatte das Gefühl, es sei besser, das Gespräch an dieser Stelle abzubiegen, sich nicht auf ein Frage-und-Antwort-Spiel mit dieser recht einfachen Frau einzulassen. Aber nicht nur Millie erhoffte sich Informationen – auch Leona hätte gern etwas Licht in ihre Verwirrung um Robert gebracht.
»Wie war denn meine Vorgängerin?« fragte sie daher leichthin.
Millie überlegte kurz. »Ein Mäuschen«, sagte sie dann, »ein völlig verschüchtertes Ding. Immer machte sie riesige Augen und brachte kaum den Mund auf. Ich fand sie sehr eigenartig.«
»Die beiden waren ziemlich lange zusammen, nicht?«
»Bestimmt fünf Jahre. Am Anfang kam sie mir bei weitem nicht so labil vor. Aber mit jedem Jahr verlor sie an Selbstbewußtsein.« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »War zum Schluß wirklich ein armes Ding. Nicht so eine starke, sichere Frau wie Sie. ›Donnerwetter‹, habe ich gleich am ersten Abend gedacht, als Sie wegen der Putzmittel herkamen, ›das ist eine, die zupackt. Die hat Tatkraft und Energie!‹ Hat mich nur gewundert, daß Sie überhaupt … na ja, daß Sie nicht sofort wieder abgereist sind. Ich bin einmal oben gewesen, wollte Herrn Jablonski und seine Freundin zum Tee einladen. Sie hat aufgemacht und
wieder mal vor Schreck kein Wort sagen können. Da hab’ ich an ihr vorbei in die Wohnung geschaut und mich hat es gegraust. Die benutzte Wäsche überall, das Geschirr mit den Essensresten … Ich war so fassungslos, daß mir gar nicht mehr einfiel, weshalb ich überhaupt gekommen war. Ich habe irgend etwas gemurmelt und bin wieder gegangen. So etwas hatte ich noch nie gesehen.«
Leona mochte nicht in ihre Rede einstimmen, denn offiziell war sie noch immer mit Robert liiert und wollte ihm nicht in den Rücken fallen. Aber das Erschrecken der alten Frau konnte sie gut nachvollziehen. Es glich ihrem eigenen Erschrecken, ihrer eigenen Ungläubigkeit.
Sie trank ihren Sherry aus. Etwas wirklich Wichtiges hatte sie nicht erfahren.
»Vielen Dank für den Sherry, Millie«, sagte sie, ohne noch einmal auf Millies Ausführungen einzugehen. »Ich muß jetzt wieder nach oben. Robert wundert sich sicher, wo ich bleibe.«
Millie begleitete sie zur Tür. »Wissen Sie eigentlich, was aus ihr geworden ist?«
»Aus wem?«
»Na, aus dieser Freundin. Oder Lebensgefährtin.«
Leona blieb stehen und starrte Millie an. »Sie ist im See ertrunken. Beim Segeln. Vor inzwischen fast zwei Jahren.«
Millie starrte sie ebenfalls an. »Was?«
»Sie ist beim Segeln ertrunken«, wiederholte Leona und merkte, daß sich langsam ein Frösteln in ihrem Körper ausbreitete. »Wußten Sie das nicht?«
Millie atmete tief durch. »Das hat er Ihnen erzählt?« rief sie. »Das hat er Ihnen wirklich erzählt?«
Wolfgang hatte gehofft, Olivia oder Carolin würden sich am Telefon melden. Die waren zwar sicher auch nicht gut
auf ihn zu sprechen, nachdem er ihre Schwester verlassen und sich aus der Familie gestohlen hatte, aber ein Gespräch mit ihnen wäre ihm nicht so peinlich gewesen wie eines mit seiner Noch-Schwiegermutter. Am liebsten hätte er natürlich überhaupt nicht in Lauberg angerufen. Aber ihm war letztlich nichts anderes mehr
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