Der Verehrer
abstirbt.
Er hatte bekümmert den Kopf geschüttelt.
»Du wirst mich verlassen.«
»Laß uns jetzt nicht darüber sprechen. Laß uns diese Woche genießen.«
»Denkst du, wir haben noch eine Chance?«
»Man hat immer eine Chance«, erwiderte sie, ins Banale ausweichend, aber was sollte sie anderes sagen? Hier in dieser völligen Einsamkeit mochte sie ihn nicht in Wut bringen. Sie stand auf.
»Komm, wir gehen weiter.«
Er erhob sich ebenfalls. »Du hast Angst vor mir«, stellte er fest.
Sie hatte nichts darauf erwidert.
Es gab Ungereimtheiten. Das dachte sie nun wieder in Millies hübscher Wohnung, das Sherryglas in der Hand. Dieses furchtbare Zimmer, in dem er hauste … Er hatte ihr das Haus seiner Eltern in Ronco gezeigt, zwei Tage zuvor. Eine Mauer umschloß das Grundstück, sie waren nicht wirklich nah herangekommen. Trotzdem hatte Leona den terrassenförmig angelegten Garten sehen können, das blaue Glitzern des Swimmingpools, die aus Sandstein gebaute Villa mit den leuchtend grün gestrichenen Fensterläden, die Balkone, die von Blumen umrankt wurden, die herrlichen Sitzecken mit Blick über den ganzen See. Robert und Eva hatten das alles geerbt, hatten es verkauft. Er mußte ein reicher Mann dadurch geworden sein. Wo war das Geld geblieben? Warum hauste er in dieser lichtlosen Höhle in einem tristen Wohnblock? Hielt sich mit seinen Übersetzungen offenbar gerade so über Wasser. Zweimal in der vergangenen Woche hatte er sie mit großartigen Worten zum Abendessen eingeladen. Zweimal hatte er dann, als die Rechnung kam, festgestellt, daß er nicht genügend Geld dabeihatte.
»Wir nehmen auch Kreditkarten«, hatte die Bedienung im teuren Ristorante Aerodromo, gleich neben dem kleinen Flugplatz, gesagt, den Anflug von Mißtrauen im Gesicht, der einen Menschen beschleicht, der fürchtet, um sein Geld geprellt zu werden.
»Ich lehne Plastikgeld ab«, erklärte Robert, »ich habe keine Kreditkarte. Ich hatte nie eine und werde nie eine haben. «
Die Gäste am Nachbartisch – Deutsche, die jedes Wort verstehen konnten – wurden aufmerksam. Ihre Unterhaltung
erstarb, sie schauten herüber und verrenkten sich ganz offensichtlich die Ohren, um auch ja alles mitzubekommen.
»Das ist Ihre Sache«, sagte die junge Frau, die mit der Rechnung gekommen war, ungeduldig. »Sie müssen nur irgendwie bezahlen.«
Leona war fast gestorben vor Peinlichkeit.
»Ich übernehme das«, hatte sie gesagt und hastig ihre Kreditkarte hervorgezogen.
Auf dem ganzen anschließenden Heimweg hatte Robert über die Preissteigerung lamentiert.
»Ich dachte wirklich, ich hätte genug Geld dabei. Der Schuppen war früher nicht so teuer. Es ist unverschämt, wieviel Geld die jetzt verlangen, findest du nicht?«
»Es ist normal.«
»Was ist schon noch normal heute? Schau dich um! Sie setzen einem ein paar Nudeln vor und einen Wein, von dem man Kopfweh bekommt, und dann verlangen sie astronomische Summen dafür. Und hast du bemerkt, wie mich diese Kellnerin behandelt hat? Als wäre ich asozial, nur weil ich keine Kreditkarte habe. Als ob …«
Leona war auf dem schmalen Feldweg, den sie am grasbewachsenen Landeplatz des Flughafens entlang nach Hause gingen, stehengeblieben. Es war so dunkel, daß sie Roberts Gesicht neben sich kaum erkennen konnte.
»Robert, hör doch auf! Das Essen war erstklassig und der Wein auch. Die Preise waren absolut angemessen. Die Kellnerin hat dich keineswegs unfreundlich behandelt, sie wurde nur nervös, als sie dachte, sie bekommt ihr Geld nicht. Du hättest einfach mehr einstecken müssen.«
»Ich hatte nicht mehr zu Hause.«
»Es ist ja auch nicht so schlimm. Solche Sachen können jedem passieren. Aber es hat keinen Sinn, daß du nun ständig die Schuld bei allen anderen suchst.«
»Aha. Du willst sagen, ich allein bin schuld?«
»Niemand ist schuld. Ich habe dir gerade erklärt, solche Geschichten können passieren. Allerdings …« Sie hatte gezögert.
»Ja?«
»Ich verstehe deine ständige Geldknappheit nicht ganz. Dieses tolle Haus in Ronco muß dir doch ein Vermögen eingebracht haben. Du müßtest eine ganze Menge Geld haben, selbst wenn du mit Eva hast teilen müssen. Du kannst das alles doch noch gar nicht ausgegeben haben!«
»Ich habe nie Wert auf Geld gelegt.«
Die Antwort war typisch für ihn. Immer am Punkt vorbei.
»Schon. Aber irgendwo muß es doch sein. Oder hast du alles dem Roten Kreuz gestiftet?«
»Nein. Aber es ist gut fünfzehn Jahre her, seitdem ich das Haus
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