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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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tot ist?«
    »Ich vermute, er weiß noch gar nicht, daß Eva nicht mehr lebt«, meinte Robert, »die Zeitungen haben ihren Namen nicht gedruckt, und ich habe ihm nichts gesagt.«
    »Er wird es früh genug erfahren«, setzte Lydia hinzu, »und es wird ihn ohnehin nicht interessieren.«
    Evas Exmann schien allgemein verhaßt. Es hätte Leona interessiert, mehr zu erfahren, aber sie mochte nicht indiskret erscheinen. So sagte sie nur: »Mich hat es gewundert, daß nur wir drei bei der Beerdigung waren. Es wird doch wohl eine Menge mehr Menschen in Evas Leben gegeben haben?«
    »Eben nicht«, sagte Lydia. Ihr zweiter Eisbecher, ein Berg aus Vanilleeis, heißen Himbeeren und Sahne, wurde gerade gebracht. »Sie war unglaublich einsam.«
    »Unsere Eltern leben nicht mehr«, erklärte Robert, »und sonst gibt es auch keine Verwandten. Ich war Evas letzter lebender Angehöriger.«
    »Es muß doch Freunde gegeben haben«, bohrte Leona nach, »Kollegen …«
    »Sie hatte ja keinen festen Arbeitsplatz«, sagte Lydia. »Nach ihrer Scheidung war sie zwei Jahre lang arbeitsunfähig wegen ihrer Depressionen. Dann hat sie nur so herumgejobbt. Mal hier, mal da. Aushilfstätigkeiten der verschiedensten
Art. Um Freunde zu gewinnen, blieb sie eigentlich nirgendwo lang genug.«
    »Konnte sie davon leben?«
    »Ganz gut. Die Wohnung gehörte ihr, und es blieb sogar noch ein Überschuß, den sie angelegt hatte. Die Möbel hatte sie alle mitgebracht. Ihr Mann hat ihr praktisch alles überlassen – vom Bügeleisen über den Herd bis zur Waschmaschine. Hoffte wohl, damit sein schlechtes Gewissen beruhigen zu können.«
    Leona fragte nicht weiter, aber sie überlegte, wie das sein konnte. Eine attraktive und noch keineswegs alte Frau wie Eva Fabiani, so völlig allein, so ohne jeden Bezugspunkt außer einer geschwätzigen, ältlichen Nachbarin. Kein fester Job. Keine Freunde. Kein Mann. Es mußte die Einsamkeit gewesen sein, die sie zu dem tödlichen Sprung aus dem Fenster getrieben hatte. Mit achtunddreißig Jahren.
    Robert lehnte sich etwas vor. Er nahm die Sonnenbrille ab. Er hat einen ausgesprochen durchdringenden Blick, dachte Leona.
    »Ich habe gehört, daß meine Schwester noch etwas gesagt hat, ehe sie starb. Irgend etwas wie ›Jetzt ist es ihm gelungen‹ oder so ähnlich.«
    »›Nun hat er es endlich geschafft‹«, sagte Leona. »Das waren ihre genauen Worte.« Robert verzog das Gesicht. »Ja«, sagte er bitter, »nun hat er es endlich geschafft.«
    »Wer?« fragte Leona.
    »Ihr Exmann.« Lydia schien unweigerlich immer wieder auf diesen Schuft zu kommen, den sie offenbar für jede Misere in Evas Leben verantwortlich machte. »Den hat sie natürlich gemeint.«
    »Aber Lydia, Sie haben doch gesagt, die beiden waren seit vier Jahren geschieden! Sie können doch gar nicht mehr soviel Kontakt gehabt haben!«

    »Sie hat gelitten«, erklärte Robert. Seine Stimme klang jetzt wieder emotionslos, gleichmütig. »Sie hat unter dieser Trennung gelitten wie ein Hund. Sie hatte schlimmste Depressionen. Manchmal schien sie halb verrückt vor Schmerz. Sie schaffte es nicht, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Ihr Selbstmord war die logische Konsequenz aus den letzten Jahren.«
    »Dann hat er die Scheidung gewollt, nicht sie«, folgerte Leona.
    Robert zündete sich eine Zigarette an, nachdem er den beiden Frauen die Schachtel hingehalten hatte, aber negativ beschieden worden war. Seine Finger zitterten ganz leicht. Traurigkeit? Erregtheit? Haß? Seine Stimme blieb monoton.
    »Er hat sie betrogen«, sagte er. »Er hat sie so häufig, so skrupellos, so offensichtlich für jedermann betrogen, daß ihr schließlich keine Wahl mehr blieb, als die Scheidung einzureichen. Und damit begann dann ihr Sterben auf Raten.«
     
    »Eigenartig«, sagte sie in die Dunkelheit des Zimmers hinein, »wenn am Ende eines jungen Lebens ganze drei Menschen bleiben, die das letzte Geleit geben: der Bruder, eine Nachbarin, von der man nicht weiß, ob sich die Tote an ihr festgeklammert hat oder ob sie von ihr bedrängt wurde, und eine ganz fremde Frau, die zufällig vorbeikam in jenem endgültigen Moment, da das Leben nicht mehr erträglich schien. Welch eine Zusammenstellung!«
    Wolfgang unterdrückte sein Gähnen nicht mehr. »Hättest du nur an diesem Tag nicht zum Zahnarzt gemußt!« sagte er inbrünstig. »Uns wäre eine Menge erspart geblieben! «
    »Ihr Mann hat sie ständig betrogen. Robert ist überzeugt, daß er sie damit zu ihrem Selbstmord getrieben

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