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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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langsam seinen Abschied zu nehmen begann. Für gewöhnlich entspannte sie sich um diese Zeit. Sie tat es nicht mehr seit Dollys Tod.
    Bernhard war ihrem Blick nach draußen gefolgt, und anstatt auf ihre Frage zu antworten, sagte er: »Ein phantastisches Licht, finden Sie nicht auch?«
    »Es ist überwältigend. An einem solchen Tag möchte ich
immer die Stadt hinter mir lassen und wieder auf dem Land leben. Ich möchte in Anorak und Gummistiefeln über die Wiesen stapfen, die Frühlingserde riechen und den Wind an meinen Haaren zerren lassen.«
    »Haben Sie früher auf dem Land gelebt?«
    »Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Wirklich auf dem Land. In einem Dorf mit dreihundert Einwohnern. Und mit nichts als Feldern und Wäldern ringsum.«
    »Ich bin auch auf dem Land aufgewachsen«, sagte Bernhard, »und manchmal vermisse ich diese Art zu leben.«
    Er hat ein nettes Lächeln, dachte sie, eine nette Art.
    Sie konnte sich vorstellen, daß er stark auf Frauen wirkte. Er schien einfühlsam, freundlich und herzlich. Er lud dazu ein, ihm auch sehr private Dinge anzuvertrauen, und versprach zugleich, sein Wissen niemals zu mißbrauchen.
    »Um auf Robert zurückzukommen …«, sagte sie.
    »Sie hatten … Sie waren liiert mit ihm?« fragte Bernhard vorsichtig.
    »Ja. Für einige Monate. Ich weiß selber nicht, weshalb ich …«
    »Sie müssen mir doch keine Erklärung abgeben.«
    »Es ist mir nur selbst so unbegreiflich. Ich kannte ihn ja kaum. Ein wildfremder Mann … na ja, wie auch immer, es ist passiert, und nun ist es vorbei, und eigentlich müßte ich mir gar keine Gedanken mehr machen … Aber es kamen einige Merkwürdigkeiten vor, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich hatte einfach das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen, der Robert kennt.«
    »Er fing an, Sie mit Haut und Haaren besitzen zu wollen? « fragte Bernhard.
    Leona nickte. »Ja. Und er verlor die Nerven, wenn ich mich zu entziehen versuchte. Wenn er meinte , ich versuchte
mich zu entziehen«, verbesserte sie sich, »denn eigentlich tat ich nie etwas, was ein … normaler Mann so hätte interpretieren können.«
    »Das deckt sich ziemlich genau mit den Erfahrungen, die ich mit ihm gemacht habe. Oder vielmehr: mit den Erfahrungen, die andere Frauen mit ihm gemacht haben. Da habe ich über Eva natürlich manches mitbekommen.«
    »Kannten Sie seine letzte Freundin?«
    »Nein. Wahrscheinlich nicht mal die vorletzte. Seit unserer Scheidung, aber eigentlich auch schon zwei oder drei Jahre davor, gab es keinen Kontakt mehr. Wenn ich mit Eva sprach, redeten wir nie über ihren Bruder.«
    »Er hat mir erzählt, seine letzte Freundin sei im Lago Maggiore ertrunken. Wie sich aber herausstellte, war sie ihm einfach nur davongelaufen.«
    »Wie alle«, sagte Bernhard, »früher oder später. Die eine hielt es länger aus, die andere nur für kurze Zeit. Aber irgendwann hatte jede genug und sah zu, daß sie wegkam.«
    »Und immer aus dem gleichen Grund?«
    Bernhard rührte nachdenklich in seiner Kaffeetasse.
    »Er erstickte die Frau an seiner Seite. Langsam, wie eine Schlange, die sich immer enger um ihr Opfer schlingt. Ich glaube, zu Anfang wurde das für die meisten Frauen gar nicht spürbar. Er war fürsorglich, begluckte sie von morgens bis abends, wollte immer ganz genau wissen, was sie den Tag über getan hatten … Viele Frauen hatten wohl in vorhergehenden Beziehungen unter dem gegenteiligen Verhalten ihrer Partner gelitten. Unter Interesselosigkeit und mangelndem Eingehen auf sie und ihre Belange.« Er lächelte. »Ich denke jedenfalls, daß es das ist, was die meisten Frauen den meisten Männern vorwerfen.«
    »Und umgekehrt«, sagte Leona.
    »Seine Freundinnen genossen die Aufmerksamkeit, die
er ihnen schenkte. Es waren auch immer irgendwie labile Frauen, die er bevorzugte«, meinte Bernhard sinnend. »Frauen mit geringem Selbstwertgefühl, wie mir schien, oder Frauen, die aus irgendwelchen Gründen lange Phasen der Einsamkeit hinter sich hatten, die emotional zermürbt und frustriert waren. Unter seiner Fürsorge blühten sie auf wie Blumen unter einem sanften, warmen Regen. Daß der Regen mit der Zeit immer heftiger wurde, sich schließlich in einen Hagelsturm verwandelte, begriffen sie erst spät.« Er musterte Leona aufmerksam. »Sie passen nicht recht in diese Reihe«, sagte er, »Sie erscheinen mir weder labil noch frustriert. Und keineswegs komplex-behaftet. «
    Sein Kompliment freute sie. In den letzten Wochen hatte sie sich manchmal nur noch

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