Der Verehrer
ängstlich ihre Stimme klang.
Bernhard lehnte sich vor und sah sie an.
»Leona, Sie haben sich von ihm getrennt. Er spielt keine Rolle mehr in Ihrem Leben. Trotzdem scheinen Sie vor irgend etwas große Angst zu haben. Was ist es?«
Sie lachte ein wenig verlegen. »Sie werden mich für hysterisch halten, aber ich … ich werde das Gefühl nicht los, daß er noch immer in meiner Nähe ist.«
»Ist es nur ein Gefühl?« fragte Bernhard, ohne in ihr Lachen einzustimmen, »oder gibt es auch irgendeinen Anhaltspunkt? «
»Nun, ich weiß nicht, ob ich mich da in etwas hineinsteigere …«
Sie erzählte ihm die Geschichte von Dolly. Ihre Augen wurden dabei schon wieder feucht, und sie mußte einige Male krampfhaft schlucken.
»Alle sagen mir, sie sei zufällig in einem Park oder Garten an das Gift geraten«, schloß sie, »und ich hoffe von ganzem Herzen, daß das stimmt – auch wenn es ihren Tod natürlich nicht weniger schrecklich und traurig macht. Aber da ist eine Stimme, die mir ständig sagt …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Bernhard hatte ihr sehr aufmerksam zugehört.
»Ich verstehe, daß solche Gedanken Sie jetzt quälen«, sagte er. »Dieser Robert ist wirklich nicht normal, und es erfüllt uns mit Angst, wenn wir einem Menschen begegnen, dessen abseitiges Verhalten ihn völlig unberechenbar erscheinen läßt. Aber in diesem Fall … Nach allem, was ich von ihm weiß, kann ich mir nicht vorstellen, daß er noch in Frankfurt herumgeistert und seine Energie darauf verwendet,
Rachefeldzüge gegen Sie auszuhecken. Dieser Mann kann meiner Ansicht nach absolut nicht leben ohne eine Frau an seiner Seite. Anstatt Ihre Katzen zu vergiften, ist er vermutlich längst auf der Jagd nach einer neuen Partnerin, und damit dürfte er vollauf beschäftigt sein.«
»Sie haben nie etwas davon gehört, daß er Frauen terrorisiert hat, nachdem sie ihn verlassen haben?«
»Nein. Auffallend war nur, daß er immer sofort die Nächste hatte. Darum glaube ich ja auch, daß er eine neue Frau sucht und nichts mit dem Tod Ihrer Katze zu tun hat.«
Leona begann zu glauben, daß er recht haben mochte. Dollys Tod war ein schrecklicher Unfall, kein Mordanschlag. Robert saß längst wieder an seinem See und umgarnte ein hübsches Mädchen. Letzten Endes hatten die Dinge ihre Ordnung.
Bernhard bestand darauf, daß sie noch einen Sekt zusammen tranken, und Leona verstand schließlich ihre Sorgen schon nicht mehr, als sie wieder hinaus auf die Straße traten. Die Schatten waren länger geworden, aber noch immer fiel dieses strahlende Licht vom Himmel und brachte der Wind einen würzigen Duft mit sich. Leona hob die Nase, schnupperte die Luft wie ein Tier.
»Der April riecht so gut, finden Sie nicht auch?« fragte sie.
Er nickte. »Ja. Aber noch besser finde ich, daß Sie wieder lächeln. Ich hoffe, ich habe ein paar Ihrer Sorgen zerstreuen können?«
»Das haben Sie. Vielen Dank.«
Sie wollte ihm die Hand zum Abschied reichen, da fiel ihr noch etwas ein.
»Letztes Jahr im Herbst«, sagte sie, »da haben Sie bei mir angerufen. Sie baten um Rückruf. Worum ging es dabei?«
»Um nichts Besonderes«, entgegnete er wegwerfend,
korrigierte sich dann aber: »Nein, das stimmt nicht. Ich wollte etwas richtigstellen, und diese Richtigstellung lag mir durchaus am Herzen.«
»Dann sagen Sie es jetzt!«
Bernhard hob abwehrend beide Hände. »Nein. Nicht jetzt. Es ist ein bißchen kompliziert und braucht Ruhe und Zeit. Ein anderes Mal.«
»Jetzt machen Sie mich wirklich neugierig.«
»Gut. Wenn Sie neugierig genug sind, dann rufen Sie mich vielleicht wieder einmal an, und wir können uns treffen«, sagte er.
Während ihres ganzen Heimwegs beflügelte Leona der besondere Klang, der bei diesen Worten in seiner Stimme gelegen hatte.
Es war wie ein Déjà-vu-Erlebnis: Ein Mann stand vor Leonas Haustür, wartend, umgeben von Koffern und Taschen. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen. Genau wie Robert, im Dezember des vergangenen Jahres. Einen Moment lang dachte Leona sogar, es sei Robert, der sich dort eingefunden hatte, und sie spürte Erleichterung; nicht, weil sie sich gewünscht hätte, wieder mit ihm von vorn anzufangen, sondern weil er damit aus der Versenkung (aus dem Hinterhalt?) aufgetaucht wäre und sie hätte in Erfahrung bringen können, was in ihm vorging. Der Mann, der dort stand, war groß und dunkelhaarig wie Robert, aber es war nicht Robert, das erkannte Leona auf den zweiten Blick. Es war ihr Schwager
Weitere Kostenlose Bücher