Der Verehrer
schwach und verängstigt gefühlt. Sie war dankbar, daß man ihr das offenbar nicht anmerkte.
»Damals paßte ich sehr wohl in die Reihe«, sagte sie. »Er hat mich an einem Tiefpunkt meines Lebens getroffen. Ich … ach, egal, Sie können es ruhig wissen: Mein Mann hatte mich gerade wegen einer anderen Frau verlassen. Ich war verzweifelt und schockiert. Ich fühlte mich gedemütigt, und mein Selbstwertgefühl war ziemlich angeschlagen. Robert erschien mir wie ein wunderbarer Rettungsanker.«
»Dann war tatsächlich das Grundmuster erfüllt. Er hatte ein neues Opfer gefunden. Sehen Sie, ich glaube wirklich, daß dieser Punkt von Bedeutung ist. Eine seelisch völlig ausgeglichene Frau würde sehr rasch, schon nach kürzester Zeit, merken, daß mit diesem geangelten Goldfisch etwas nicht stimmt, und sie würde nicht lange fackeln, ihn wieder loszuwerden. Eine in irgendeiner Weise angeknackste Frau merkt es vielleicht auch, aber sie wird sehr lange nicht die Kraft finden, einen Schlußstrich zu ziehen.
« Bernhard schwieg einen Moment, dann fügte er leise hinzu: »Ich hoffe, diese Analysen kränken Sie nicht. Es geht schließlich auch um Ihre Gefühle, die ich keineswegs verletzen möchte.«
»Das tun Sie nicht. Mir geht es nur noch um Klarheit. Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich mich in meiner Einschätzung der Dinge geirrt habe. Gespenster gesehen habe. Überempfindlich war.«
»Da kann ich Sie beruhigen«, sagte Bernhard. »Was Robert Jablonski angeht, waren Sie mit Sicherheit nicht überempfindlich. Und haben auch keine Gespenster gesehen. «
Mit seinen Worten half er ihr mehr, als er ahnte. Trotz allem hatte in ihr noch immer die Unsicherheit genagt, ob sie sich nicht doch in der Beurteilung Roberts und seines Verhaltens irrte.
»Sie sagten, es war immer so, daß die Frauen ihn verließen«, sagte sie. »Es war nie andersherum? Daß er mit einer Schluß machte?«
»Meines Wissens nicht. Wobei ich natürlich sagen muß, daß ich sicher nicht alles mitbekommen habe. Sein Leben spielt sich in der Schweiz ab, also weit weg. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß er jemals eine Beziehung von sich aus beendet haben soll.«
»Wissen Sie zufällig, wie er es hingenommen hat, wenn ihn wieder eine Frau verließ? Ich meine, wie hat er reagiert? «
Bernhard überlegte. »Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht allzuviel sagen. Ich sah ihn zu selten, um Details zu kennen. Ich erinnere mich nur, wie er Eva und mich vor ungefähr neun Jahren zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin hier in Frankfurt besuchte. Das Mädchen hieß Jenny, stammte aus einer Alkoholikerfamilie, hatte
eine von Gewalt geprägte Jugend hinter sich. Sie war damals zwanzig und seit zwei Jahren mit Robert zusammen. Ich hatte sie am Anfang mit ihm erlebt: Sie klammerte sich förmlich an ihn, er war ihr ein und alles. Bei dem Besuch in Frankfurt wurde dann aber deutlich, daß die Beziehung am Ende war. Jenny antwortete ihm kaum noch, wenn er mit ihr sprach, sie wirkte unglücklich und entnervt. Wir gingen abends zum Essen in ein Restaurant, und irgendwann ging Jenny zur Toilette. Die Zeit verstrich, und sie kam einfach nicht wieder.«
Bernhard schüttelte den Kopf, noch im nachhinein irritiert von der Situation.
»Mir fiel schließlich auf, daß Robert immer nervöser wurde – auf eine wirklich drastische Art. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn, war aschfahl im Gesicht, atmete stoßweise. Ich dachte, er hätte plötzlich Kreislaufprobleme, aber dann stellte sich heraus, daß es um Jenny ging. Er drehte fast durch, weil sie so lange nicht wiederkam. Ich wollte die Atmosphäre entspannen und tat genau das Falsche: Ich machte eine scherzhafte Bemerkung in der Art, Jenny sei wohl durch eines der rückwärtigen Fenster entflohen. Ich lachte dabei und dachte, er werde nun auch lachen.«
»Aber er lachte keineswegs«, vermutete Leona, von düsteren Erfahrungen geprägt.
»Er lachte keineswegs«, bestätigte Bernhard. »Er sprang auf und wollte sofort losstürmen, nach ihr zu suchen. Ich sagte, er könne unmöglich in die Damentoilette gehen, und er ließ sich überreden, statt dessen Eva loszuschicken. Sie kam kurz darauf mit Jenny zurück. Robert machte ihr vor allen Gästen eine furchtbare Szene, er schrie und tobte. Es war sicher der peinlichste Abend, den ich je erlebt habe.«
»Das paßt zu ihm«, sagte Leona. »So wie ich ihn erlebt habe, wundert mich diese Geschichte überhaupt nicht.«
Sie merkte selbst, wie nervös und
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