Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Ordnung, damit Papst Martin in die Stadt zurückkehren konnte.
Adriana sollte nach dem Willen von Kardinal Orsini unter der Folter gezwungen werden, den Vater ihres Kindes preiszugeben. Ihr Richter und Henker war ihr ehemaliger Geliebter. Die Orsini entrissen mich meiner Mutter und stießen mich, das dreijährige Kind, in eine düstere Zelle. Ich war zu Tode erschrocken! Die Männer in meinem Verlies trugen denselben Habit wie mein Vater, den ich erst wenige Tage zuvor bei einem Gottesdienst in Santa Maria sopra Minerva kennengelernt hatte. Wo war er? Warum erbarmte er sich nicht, auch wenn er sich nicht zu mir bekennen konnte? Wieso kam er nicht, um mich aus den Händen dieser Mönche zu befreien, die mir die Kleider vom Leib rissen und mich an den intimsten Stellen grob befingerten? Sie haben mir so wehgetan!«
»Allmächtiger Gott!«, stöhnte ich.
Alessandra weinte leise schluchzend. »Sie haben mich als ›Lucifers Tochter‹ verhöhnt und gedemütigt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden vergingen, bis mein Vater endlich im Kerker erschien, um nach mir zu sehen.
Ich kann mich noch genau an sein Gesicht erinnern: Es war wie aus Marmor gehauen, blass und leblos. Er scheuchte die Mönche hinaus, verriegelte hinter ihnen die Pforte, schloss die Tür meines Verlieses auf und kam zu mir in die Zelle. Eine Weile stand er am Eingang und kam keinen Schritt näher. Seine Schultern zuckten unter dem Dominikanerhabit. Er weinte. Schließlich fragte er: ›Haben sie dir wehgetan?‹ - ›Ja.‹ - ›Mir auch‹, gestand er. ›Hast du Angst?‹ - Ich nickte stumm. - ›Ich auch‹, bekannte er. ›Denn ich bin dein Vater.‹ Wie schwer muss ihm dieses Bekenntnis gefallen sein! Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ließ mich allein.«
Ich strich ihr über das tränennasse Gesicht. »Und dann?«
»Mein Vater drängte Adriana zum Geständnis, um sie vor dem Scheiterhaufen zu bewahren.«
»Hat sie gestanden?«
»Nein«, seufzte sie. »Sie liebte Luca zu sehr, um ihn in Gefahr zu bringen. Die Qualen hat sie ertragen, als sie in der Zelle neben meiner gefoltert wurde. Ich sollte die Schreie meiner Mutter hören und um Gnade flehen! Ich sollte den Inquisitoren verraten, wer mein Vater war!«
»Und dann?«, flüsterte ich schockiert.
»Eines Nachts erschien Luca im Kerker und befreite mich. Wir flohen nach Florenz, wo er sich in Santa Maria Novella Papst Martin zu Füßen warf.«
»Er hat alles aufgegeben.«
»Ja, alles.«
»Er hat sich zu dir bekannt.«
»Ja.«
»Er hat dich geliebt.«
»Nein, Niketas, er hat mich nicht geliebt, weil er sich selbst nicht lieben konnte. Weil er sich selbst nicht vergeben konnte, im Rausch von Liebe und Glückseligkeit die Beherrschung verloren und seine Gelübde gebrochen zu haben. Gegeißelt hat er sich, um dafür zu büßen!«
Ich küsste ihr die Tränen aus dem Gesicht. »Hast du vorhin geweint, weil du fürchtest, ich könnte es bereuen, dass ich mich dir hingegeben habe?«
Alessandra nickte schniefend.
»Ich empfinde keine Schuld und keine Reue. Ich bin glücklich. Ich liebe dich.«
»Und ich ...«
Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie verstummen.
Tayeb trat ein und kam mit einer Kerze in der Hand zum Bett. »Bitte vergebt mir, dass ich euch geweckt ...« Er holte tief Luft, als er unsere ineinander verschlungenen Körper sah. »... gestört habe.«
»Was ist denn?«, fragte Alessandra und richtete sich auf.
»Cosimo ist eben gekommen und hat nach Niketas gefragt. Er will dringend mit ihm sprechen.«
»Cosimo?«, flüsterte sie erschrocken. »Mitten in der Nacht? Wie spät ist es?«
»Vier Uhr morgens.«
»Und woher weiß er, dass Niketas hier ist?«
Sie mied meinen Blick, und ich fragte mich, was sie nach ihrer Affäre mit Cosimo, die seit ihrer Abreise nach Alexandria beendet schien, noch für ihn empfand.
»Der Podestà hat es ihm erzählt«, vermutete Tayeb. »Nachdem Tito zum Palazzo Albizzi geeilt war, um Natanael zu holen, lief er zum Palast des Podestà, um das Attentat zu melden. Ich nehme an, dass der sofort zum Palazzo Medici geritten ist, um Cosimo aus dem Bett zu scheuchen. Die Nachricht, dass die Henkersknechte des Sultans durch die nächtlichen Gassen von Florenz schleichen, dürfte ihn erschreckt haben. Seit Stunden durchsuchen seine Bewaffneten die ganze Stadt.«
Ich setzte mich auf. »Wo ist er?«
»Er erwartet dich in der Bibliothek«, erwiderte Tayeb. »Er ist sehr besorgt. Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, die Treppen
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