Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
fortgezerrt!
Ich riss die Arme hoch und schrie in meiner Todesangst, als die Hufe des scheuenden Pferdes mich wieder und wieder trafen, mir die Knochen brachen, die Rippen ... und den Schädel.
Dieser Schmerz in meinem Kopf!
Dann verwehten die Erinnerungen an meinen Sturz.
Am ganzen Körper bebend und noch ganz benommen richtete ich mich auf, stützte mich mit den Ellbogen ab und blinzelte.
Im Feuerschein der Fackeln am Palazzo Pucci erkannte ich Tito, der sein Schwert gezogen hatte, während ich ohnmächtig auf dem Boden lag. Mit der Kraft seines ungezügelten Zorns schlug er auf den zurückweichenden Attentäter ein und drängte ihn Schritt für Schritt gegen die Mauern des Palazzo Pucci. Hielt er den Assassino für den rätselhaften Mönch, der Luca, Alexios und Serafino ermordet hatte?
Schwankend erhob ich mich und zog meinen Dolch, während Tito wie besessen mit dem Schwert auf den Assassino einschlug und ihn vor sich her trieb.
Ein letzter Hieb - dann glitt der Attentäter an der Hauswand herunter und sank röchelnd zu Boden, die Hände in einer flehenden Geste erhoben. Tito hatte ihm die Klinge in die Brust gerammt.
Ich kniete mich neben den Verwundeten und zog ihm den schwarzen Turban vom Kopf, um sein Gesicht zu sehen.
Wer war der Mann? Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
»Wer hat dich geschickt?«, fragte ich ihn auf Italienisch.
Er verstand mich nicht und starrte mich mit offenem Mund an, daher wiederholte ich meine Frage auf Lateinisch.
Kein Zeichen des Verstehens.
Keuchend rang er nach Atem - er erstickte an seinem Blut. Da versuchte ich es auf Griechisch.
Ein qualvolles Röcheln war die Antwort. Er murmelte etwas. War es Türkisch? Dann schloss er die Augen und hauchte mit einem geflüsterten »Allahu akbar!« sein Leben aus.
Tito steckte sein Schwert weg und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. »Ihr seid verletzt!«, sorgte er sich und stützte mich, als ich taumelte. »Ich bringe Euch in den Palazzo d'Ascoli. Er liegt näher als der Palazzo Albizzi. Dann werde ich Natanael holen, damit er Eure Wunde versorgt.«
»Danke, Tito! Ihr habt mir das Leben gerettet!« Ich legte meinen Arm um seine Schultern. Mir war schwindelig, mein Kopf schmerzte unerträglich, und die Wunde an meiner Seite raubte mir den Atem.
»Das war nicht der schwarze Mönch.« Tito warf einen letzten Blick auf den Toten, während wir uns entfernten. »Wer, glaubt Ihr, hat ihn geschickt, um Euch zu ermorden?«
Ich dachte nach.
Demetrios?
Er hasste mich seit unserer Kindheit. Und er fürchtete mich, weil ich mit aller Macht verhindern würde, dass er eines Tages Ioannis auf den Purpurthron nachfolgte. Sein Freund Selim?
Der Cousin des türkischen Sultans war nach der Belagerung von Konstantinopolis im Jahr 1422 mit knapper Not einem Attentat entkommen. Sultan Murad hatte seinen Onkel Mustafa Celebi und seinen jüngeren Bruder ermorden lassen, als beide mit Unterstützung des byzantinischen Kaisers Ansprüche auf den türkischen Thron erhoben. Der neunzehnjährige Prinz Selim, der sich an der Verschwörung gegen seinen Cousin, den gleichaltrigen Sultan, beteiligt hatte, war dem Massaker an seinen Verwandten entkommen und nach Konstantinopolis geflohen, wo er von Ioannis freundlich empfangen wurde und sich mit Demetrios anfreundete. Vor elf Jahren hatte Selim meinen Bruder nach Griechenland begleitet, wo Demetrios als Despot herrschte.
Welche geheimnisvollen Verbindungen hatte Selim zum Hof von Sultan Murad? Wollte der geflohene Prinz seinem Cousin einen Gefallen erweisen, indem er mich ermordete? Hoffte er im Stillen, dass der Sultan ihn begnadigen und zurückrufen würde?
Oder war es Sultan Murad, der mir nach dem Leben trachtete, weil er die Kirchenunion und einen Kreuzzug fürchtete?
Tito brachte mich nach Hause.
Die Worte mach Hause‹ waren ihm unbedacht herausgerutscht. Ich sah es ihm nach, denn im Grunde hatte er Recht: Obwohl ich nach Fra Antoninos mahnenden Worten nicht mehr in Alessandras Bett geschlafen hatte, kam ich jeden Tag wieder in den Palazzo d'Ascoli, um sie zu sehen und mit ihr zu reden. Ich war glücklich, wenn sie in meiner Nähe war, wenn wir uns zärtlich umarmten und leidenschaftlich küssten. Ich konnte und wollte sie nicht verlassen. Natanaels Befürchtung, er könnte mich für immer an sie verlieren, tat mir sehr weh.
Floriano öffnete das Tor, und Tito half mir die Treppen hinauf in den zweiten Stock des Palazzos.
»Tayeb!«, rief er, als er mit dem Fuß die Tür zu Lucas
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