Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Euch durch sein beherztes Handeln das Leben gerettet hat. Vor einer Viertelstunde habe ich mit Bruder Caedmon gesprochen und ihm einen vollkommenen Sündenablass gewährt. Niketas sagte, das sei Euer Wunsch.«
»Das stimmt, Heiliger Vater. Ich danke Euch.«
Scarampo erhob sich vom Bett und strich den violetten Seidenstoff seiner Soutane glatt. »Gabriel, wir sollten Seine Majestät nicht warten lassen. Er soll letzte Nacht getobt haben. Und heute Morgen hat er seine Wut an Basilios Bessarion ausgelassen. Die beiden sind heftig aneinandergeraten, und der Metropolit von Nikaia hat mit verbitterter Miene den Palazzo Peruzzi verlassen. Weiß der Himmel, worum es ging.«
Scarampo kniff die Augen zusammen und blinzelte zu Niketas hinüber, doch der verzog keine Miene und schwieg.
Dass der Kaiser nun Basilios die Leviten las, weil er von unserer Liebe gewusst hatte, musste Niketas wehtun. Meinetwegen hatten die beiden Freunde sich derart zerstritten, dass es wenig Hoffnung gab für eine Versöhnung.
»Du hast Recht, Ludovico«, nickte der Papst. »Wir sollten den Kaiser nicht warten lassen. Die Konzilssitzung beginnt in einer halben Stunde.« Er legte Niketas vertraulich die Hand auf die Schulter. »Bruder Niketas, wollt Ihr mich nach Santa Croce begleiten?«
»Sehr gern, Bruder Gabriel.«
Niketas nickte mir zu, dann wandte er sich um und folgte dem Pontifex aus meinem Schlafgemach.
»Ihr braucht Ruhe, Alessandra«, ermahnte mich Scarampo, der an der Tür stehen geblieben war. »Der Weg durch das Inferno nach Rom ist weit, und das Ringen mit Satan ist ein Kampf auf Leben und Tod!«
Nachdem er den Raum verlassen hatte, trat Caedmon ein, um nach mir zu sehen. Er stellte eine Glasphiole auf den Nachttisch. »Ich bin sehr glücklich, dass es Euch besser geht, Mylady. Und dankbar, dass Ihr Euer Versprechen gehalten habt. Seine Heiligkeit hat mir alle meine Sünden vergeben und mir einen vollkommenen Ablass gewährt.«
»Das freut mich für Euch, Caedmon.«
»Warum?«, fragte er erstaunt.
»Weil Ihr mir treu ergeben seid und ich Euch sehr schätze.«
Caedmon sah mir in die Augen. »Was, glaubt Ihr, meinte der Papst, als er mir alle meine Sünden vergab, nicht nur den Totschlag letzte Nacht?«
»Er meint die Morde, die Ihr zuvor begangen habt.«
Erschrocken starrte er mich an. »Ihr wisst, dass ich ...«
»Ja.«
Er holte tief Luft. »Seit wann?«
»Seit Natanaels Tod. Ihr habt Euch bei Niketas nicht als Sekretär beworben, obwohl Ihr ihn verehrt und er Euch sehr schätzt. Ihr habt auf eine glänzende Karriere im Kaiserpalast von Byzanz verzichtet und seid bei mir geblieben. Ihr konntet nicht darauf hoffen, dass ich Euch eine vergleichbare Position mit Macht und Ansehen in Rom ermöglichen werde.«
»Ihr wusstet es ... und trotzdem habt Ihr Seine Heiligkeit gebeten, mir den Mord an Eurem Vater zu vergeben?«
Ich nickte.
»Aber wieso?«
»Weil Ihr die furchtbare Tat bereut habt, Caedmon. Weil die Ermordung von Serafino, Alexios und Natanael Euer Gewissen quält. Weil Ihr während der Verfolgungsjagd über die Dächer mein Leben verschont habt, obwohl Ihr mich leicht hättet töten können. Weil Ihr auf der Domkuppel im letzten Moment, bevor ich in den Tod stürzte, den Bremshebel umgelegt habt. Weil Ihr heute Nacht mit dem Evangelium, das Ihr doch schon seit Wochen sucht, nicht nach Rom geflohen seid, sondern Euch gegen Vitelleschi für mich entschieden habt.«
Er wandte sich ab, ging einige Schritte in Richtung des Kamins und drehte sich schließlich wieder zu mir um. »Was erwartet Ihr nun von mir?«
»Dass Ihr mir weiterhin so treu dient wie bisher.«
»Ich soll Euch bei Eurer Rache an Vitelleschi helfen.«
»Ja.«
»Wie?«
»Das sage ich Euch, nachdem Ihr mir berichtet habt, was geschehen ist.« Ich klopfte mit der Hand auf die Bettdecke neben mir. »Setzt Euch, Caedmon!«
Er kam zu mir herüber, raffte seinen Habit und ließ sich neben mir nieder. »Wo soll ich beginnen?«
»In der Nacht Eurer Vergewaltigung durch den Kardinal. Was ist passiert?«
Caedmon schloss die Augen und atmete tief durch. Ich merkte ihm an, wie sehr ihn die Erinnerung quälte. »Es war lange nach Mitternacht, als er von Santa Maria sopra Minerva in den Vatikan zurückkehrte und mich rufen ließ.«
»Bei unserer ersten Begegnung habt Ihr mir erzählt, dass er im Kerker der Inquisition einen Mönch foltern ließ und deshalb sexuell erregt war.«
Traurig senkte Caedmon den Blick. »Der Frater ist unter der Folter
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