Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Ferrara nach Rom rastete er in der Residenz des Erzbischofs neben San Miniato al Monte. Er kam zwei Stunden nach Euch an. Sofort hat er mich rufen lassen und mir befohlen, Euch zu überwachen. Er sagte mir, er habe Euch gesehen - in einem verschneiten Wäldchen neben der Straße in einer vertraulichen Unterredung mit Kardinal Cesarini. Vitelleschi war sehr überrascht, wähnte er Euch doch in Alexandria! Er vermutete, Ihr wärt über Venedig und Ferrara gereist. Mit wem hattet Ihr dort gesprochen? Ein Bote eilte zurück nach Ferrara, um das herauszufinden. Während Vitelleschi wenig später mit seinem Gefolge nach Siena weiterritt, bin ich zu Eurem Palazzo geeilt.«
»Und dort habe ich Euch gesehen, als ich zum Palazzo della Signoria aufbrach, um Cosimo Lucas Testament zu bringen. Ihr sagtet, dass Ihr in den nächsten Tagen mit mir sprechen wolltet. Nach Lucas Begräbnis in San Marco habt Ihr Euch dann bei mir beworben - mit Kardinal Vitelleschis Empfehlungsschreiben.«
»So ist es.«
»Caedmon, wie lautet Euer Auftrag?«
»Ich soll das Evangelium nach Rom bringen.«
»Bisher habt Ihr es nicht gefunden. Hat Euch jener Dominikaner aus Santa Maria sopra Minerva deshalb bedroht?« Er schnappte nach Luft. »Woher wisst ...?«
»Niketas hat Euch vom Campanile aus beobachtet, wie Ihr Euch gegen den Frater gewehrt habt. Vor vier Tagen, während des Gottesdienstes in der Kathedrale, hat der Dominikaner die päpstlichen Gemächer durchsucht, um das Evangelium zu finden. Der Sekretär des Papstes hat ihn dabei ertappt, doch der Frater konnte entkommen. Wisst Ihr, wo er sich verborgen hält?«
Caedmon schüttelte den Kopf. »Er ist spurlos verschwunden.«
»Und Ihr fürchtet um Euer Leben.« Er nickte.
»Wo ist das Evangelium jetzt?«
»Unter Eurem Bett. Niketas hat das Kästchen dort versteckt, nachdem Ihr ohnmächtig geworden wart.«
»Holt es!« Ich klopfte mit der Hand auf die Bettdecke.
Caedmon kniete sich vor das Bett, zog die Rosenholzkassette hervor und stellte sie neben mich. Dann setzte er sich wieder auf den Bettrand.
»Wer hat den Schlüssel?«
»Den habe ich. Niketas hat ihn mir gegeben.« Er zog den Schlüssel, den er am Band um den Hals trug, unter seinem Habit hervor, schloss die Rosenholzkassette auf und hob den Deckel an, damit ich hineinsehen konnte.
Die Fragmente waren noch da.
Ich schob ihm das Kästchen zu. »Caedmon, ich will, dass Ihr das Evangelium nach Rom bringt.«
Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er ein Fragment zur Hand nahm. »›Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und tut Gutes denen, die euch hassen und quälen, und betet für die, die euch verfolgen und Unterdrückern«, las er das hebräische Logion vor. Dann legte er den Schnipsel weg und betrachtete den nächsten. »Jesus sprach zu seinen Jüngern: Niemand kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben oder den einen verehren und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und der Welt.‹« Er wies auf eines der Fragmente. »Dieses Logion hat mir am besten gefallen: ›An ihrem Handeln werdet ihr sie erkennen.‹« Er sah mir in die Augen. »Sie sind Euch gut gelungen, Mylady. Der antike Papyrus ... die blasse Tinte ... das biblische Hebräisch ... die Auswahl der Logien. Ich bin wirklich beeindruckt.«
»Ich verstehe nicht, was Ihr ...«
»Wann habt Ihr diese Fragmente hergestellt?«, unterbrach er mich. »Sie wirken täuschend echt.« Er wusste es!
»Gestern Morgen - nachdem Tayeb und ich das echte Evangelium aus San Marco geholt hatten«, gestand ich schließlich. »Wie habt Ihr gemerkt, dass die Logien gefälscht sind?«
»Sie stammen aus Ibn Shapruts Prüfstein. Ich habe das Buch vor einigen Tagen gelesen. Die Sprüche des hebräischen Matthäus-Evangeliums unterscheiden sich von denen der lateinischen und der griechischen Bibel.«
Ich lächelte verschmitzt.
Mit offenem Mund starrte er mich an. Dann begriff er. »Ihr wolltet, dass ich das Evangelium als Fälschung erkenne?«, fragte er verblüfft.
»Ja, das war meine Absicht.« Er schluckte trocken.
»Für wen sind die Logien bestimmt?«, fragte er schließlich. »Für Vitelleschi oder für mich?«
»Für Euch, Caedmon. Für den Kardinal des Satans hätte ich mir nicht so viel Mühe geben müssen. Er hat sein Gewissen in Blut ertränkt - in dem Blut, das ihm inzwischen bis zum Hals steht.«
Caedmon verzog die Lippen. »Wo befindet sich das Evangelium, das Ihr in Alexandria gefunden
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