Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
hattet?«
»Vitelleschi hat es an dem Tag verfasst, als Luca nach Ferrara kam, um sich mit dem Papst zu versöhnen. Ein Bote überreichte es mir zusammen mit dem Befehl, Euren Vater zu ermorden, sobald er in Florenz eintraf. Vitelleschi hat die ganze Zeit gewusst, wo ich war.«
»Hat er Euch gedroht?«
»Er ließ mir ausrichten, dass er mir vergeben würde, wenn ich ihm gehorchte. Und dass er mich eigenhändig töten würde, falls ich es nicht tat. Ich hatte eine Todesangst.« Mit beiden Händen fuhr sich Caedmon über das Gesicht. Er wirkte erschöpft. »Vitelleschi hat Euch und Euren Vater seit Monaten überwachen lassen.«
Ich runzelte die Stirn. »Seit wann?«
»Seit Eurer Reise nach Sankt Gallen - und Eurem geheimen Treffen mit Kardinal Cesarini, dem Vorsitzenden des Konzils von Basel, in dem kleinen Gasthof neben dem Basler Münster. Ihr seid mit ihm in einer winzigen Kammer im Obergeschoss verschwunden. Nach einer Stunde seid ihr nacheinander wieder heruntergekommen. Der Mann, der Euch beobachtet hatte, berichtete, dass Ihr das Kleid einer Hure trugt und Euer Haar zerzaust war.«
»Vitelleschi wusste von dem Treffen in Basel?«, fragte ich verblüfft.
»Er vermutete, dass Ihr Kardinal Cesarini einen Brief Eures Vaters überbracht habt.«
»Das habe ich getan.«
»Vitelleschi kennt auch Lucas Briefwechsel mit Lorenzo Valla wegen der Konstantinischen Schenkung.«
»Also doch!«
»Nach einem Gespräch mit Cosimo seid Ihr dann Ende November überstürzt nach Alexandria abgereist. Der Mann, der Euch beschatten sollte, konnte Euch gerade noch rechtzeitig nach Pisa auf das Schiff folgen, bevor es ablegte.
Vitelleschi war verwirrt. Was hattet Ihr mit Cosimo besprochen? Was wolltet Ihr in Alexandria? Was hattet Ihr mit Patriarch Philotheos zu bereden?
Wenige Tage vor Weihnachten, nachdem Cosimo nach Ferrara aufgebrochen war, um das Konzil nach Florenz zu holen, reiste Luca zu Lorenzo Valla nach Neapel. Vitelleschi tobte! Der Besuch musste mit der gefälschten Konstantinischen Schenkung zu tun haben. Sollte das gefährliche Traktat noch während des Konzils veröffentlicht werden? Aber er verstand nicht, wie Eure Reise nach Alexandria und Lucas Besuch in Neapel zusammenhingen.
Da entschloss er sich, nach Ferrara zu reiten, um sich beim Papst zu erkundigen, wie es mit der Kirchenunion voranging, und mit ihm über seine geplante Rückkehr nach Rom zu sprechen. Die Macht der Colonna würde mit dem Fall der letzten Festung gebrochen sein: Zagarolo soll in den nächsten Wochen erobert werden.«
Ich nickte stumm. Scarampo hatte mir erzählt, dass Vitelleschi die Festung belagerte.
»Und dann tauchte plötzlich Luca in Ferrara auf - nachdem er einen Brief von Euch aus Alexandria gelesen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Wieso traf sich Luca mit Giuliano Cesarini, dem ehemaligen Vorsitzenden des Konzils von Basel, das Eugenius vor einem Jahr seines Amtes enthoben hatte? Was hatte er mit Ludovico Scarampo zu bereden, dem Vertrauten des Papstes? Und worüber sprach er mit dem Patriarchen von Konstantinopolis? Stand dieses Treffen in Zusammenhang mit Eurer Audienz beim Patriarchen von Alexandria?
Und was hatten Luca und der Papst sich nach all den Jahren des erbitterten Schweigens zu sagen? Wieso schrieb Eugenius noch am selben Tag an Patriarch Philotheos? Und wer hatte versucht, Euch in Alexandria zu ermorden? Vitelleschi war verwirrt und ...«
»Er wusste nicht, wer mir nach dem Leben trachtete?«, fragte ich fassungslos.
»Nein, er hatte keine Ahnung.«
Wie auch?, dachte ich. Ich habe seinen Assassino getötet und am Strand verscharrt.
Aber wenn Vitelleschi nicht befohlen hatte, mich zu ermorden - was, zum Teufel, stand dann in dem blutgetränkten Brief, den ich für einen Mordauftrag hielt?
»Der Kardinal war zutiefst verunsichert«, fuhr Caedmon fort. »Er will den Papst stürzen und sich selbst die Tiara aufsetzen. De jure ist Eugenius abgesetzt, de facto regiert Vitelleschi in Rom mit Folter und Mord.
In Ferrara erhielt Vitelleschi dann eine bestürzende Nachricht aus Basel. Das schismatische Konzil wollte Eugenius, den es vor einem Jahr seines Amtes enthoben hatte, als Häretiker exkommunizieren und einen neuen Papst wählen. Vitelleschi konnte sich denken, wer das sein würde: Euer ›heiliger Vater‹. Das war Lucas Todesurteil.«
»Woher wisst Ihr das alles?«
»Er hat es mir selbst erzählt. Am Tag nach dem Mord.«
»Vitelleschi war in Florenz?«, fragte ich bestürzt.
»Auf dem Weg von
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