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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Seitenränder waren ausgefranst. Ein tiefer Riss teilte es in zwei Teile, die nur noch von einzelnen Papyrusfasern zusammengehalten wurden. Das Material war sehr brüchig. Im Schein der Kerzen versuchte ich, die verblasste Schrift zu entziffern. Es war ein griechischer Text.
    Das kann nicht sein!, dachte ich, als ich die ersten Worte las. Beinahe hätte ich das Fragment fallen gelassen.

    »Dieser Spruch findet sich nicht in den Evangelien!« Meine Stimme bebte vor Aufregung.
    Vorsichtig wendete ich den Papyrusschnipsel, um die Rückseite zu betrachten. Auch sie war beschrieben:
    » ›Jesus sprach: Kein Prophet ist ...‹ - dann folgt ein unleserliches Wort - ›... in seinem Dorf. Kein Arzt heilt .. .‹ - wieder ein paar verblasste Buchstaben.« Ich holte tief Luft und las erneut: »Jesus sprach: Kein Prophet ist angenommen in seinem Dorf. Kein Arzt heilt die ihn kennen.‹ «
    Stürmisch umarmte ich Tayeb und warf ihn dabei fast um. »Weißt du, was das bedeutet?«
    »Keine Ahnung«, gestand er verwundert.
    Ich wies auf die Tonscherben und Papyrusfetzen vor uns im Sand. »Wir haben ein neues Evangelium gefunden!«

    »Das freut mich!«, hörte ich eine Stimme mit römischem Akzent hinter mir.
    Erschrocken ließ ich Tayeb los.
    Im Eingang der Genisa stand der junge Mann mit den dunklen Augen, der uns seit unserer Abreise aus Florenz verfolgt hatte. Er war groß und schlank - ein durchtrainierter Kämpfer. Das Schwert, das er in der Hand hielt, funkelte im Licht der Kerzen.
    »Und ich würde mich noch mehr freuen«, fügte er mit ausgestreckter Hand hinzu, »wenn Ihr es mir nun übergeben würdet.«

Kapitel 2

    »Sophia - Weisheit!«, rief der Diakon, als er das Evangelium über seinen Kopf hob, um es den Gläubigen zu zeigen. »Steht aufrecht!«
    Ich erhob mich von meinem Sessel neben dem Patriarchen und half ihm auf.
    »Evcharistó!«, flüsterte er, als er meine Hand ergriff und mit beiden Händen drückte. »Ich danke Euch, Niketas!«
    Der Kaiser erhob sich von seinem Purpurthron.
    Während der Chor die Hymne sang, legte der Diakon das Evangelium zurück auf den Altar. Als ich die goldbestickten Gewänder raffte und die Stufen zum Hochaltar emporstieg, um die Weihnachtsmesse zu zelebrieren, empfand ich nichts als stille Traurigkeit.
    Nachdem der Diakon den Altar, den Patriarchen und mich beräuchert hatte, verkündete ich den Gläubigen das, was sie für das Wort Gottes hielten. Während ich die Weihnachtsgeschichte aus dem Evangelium nach Lukas sang, ließ ich meinen Blick über die Hunderte orthodoxen Gläubigen schweifen, die in die Kirche San Francesco von Ferrara geströmt waren, um die Geburt ihres Erlösers zu feiern.
    Mit geschlossenen Augen, als wäre er eingenickt, war der Patriarch auf seinem Sessel zusammengesunken. Joseph war alt und gebrechlich. Sein durch mönchische Enthaltsamkeit geformtes Gesicht hinter dem langen weißen Bart war bleich, und die schlichte schwarze Soutane und seine Haube mit dem schwarzen Schleier unterstrichen seine Totenblässe noch. Nur seine funkelnden blauen Augen verrieten, dass noch feurige Glut unter der Asche brannte - Temperament, Leidenschaft und ein eiserner Wille, sich Papst Eugenius nicht kampflos zu unterwerfen.
    »Und der Engel sprach zu den Hirten: Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch eine große Freude. Denn euch ist heute ein Retter geboten, er ist Christus, der Kyrios.«
    Der Patriarch hatte die Augen geöffnet und beobachtete, wie ich nun feierlich von Jesus Christus als dem Erlöser sang. Er sah mir in die Augen, bis tief hinein in meine Seele, doch ich hielt seinem Blick stand, während ich weiter aus dem Gedächtnis zitierte: »Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden ...«

    Als ich an diesem Nachmittag vor dem Altar der Kirche des Konvents liegend betete, hatte der Patriarch mich herausgerissen aus der Stille. Vor zehn Tagen hatte ich mich in das Dominikanerkloster von Ferrara zurückgezogen, um mich zu besinnen. Und um den furchtbaren Gewissenskonflikt zu lösen, der mir den Verstand zerfetzte.
    Der Patriarch war zu mir ins Kloster gekommen, um mich zu bitten, an seiner Stelle den Gottesdienst in San Francesco zu halten. Er sei zu gebrechlich, um die Anstrengungen der sechsstündigen Messe zu ertragen.
    Die Sorge hatte in seinen Augen geschimmert, als er mich mit gefalteten Händen von meinem Schreibtisch aus beobachtete, wie ich mich auf das Bett meiner Zelle sinken ließ und mir mit beiden Händen über das

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