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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Abhang einer Sanddüne hinauf, die sich im Windschatten einer Ruine gebildet hatte. Das Gebäude, das bis zum Dach im Sand vergraben lag, schien sehr groß zu sein.
    Eine Synagoge?
    Tayeb erwartete mich an dem Mauerspalt, den wir gestern entdeckt hatten. Die Tasche mit dem Seil und den Kerzen lag neben ihm im Sand. Werkzeug wie Schaufeln und Brecheisen hatten wir nicht mitgeschleppt.
    Das Deckengewölbe war vermutlich während eines Erdbebens gerissen: Einige Quadersteine waren herabgestürzt.
    »Ich gehe zuerst!«
    »Das dachte ich mir«, meinte Tayeb trocken. Er verknotete das Seil um meine Taille und spähte hinunter in die Tiefe. »Dort unten gibt es Skorpione.«
    »Ich weiß.«
    »Ich weiß, dass du's weißt. Pass auf, wo du hintrittst.«
    Er schlang das Seil um seine Schultern, um mich durch den Gewölberiss hinabzulassen.
    Rückwärts kriechend tastete ich mit den Füßen nach einem festen Halt. Kühler Sand rieselte in meine Sandalen. Der Wüstenwind hatte Flugsand in den Mauerriss geweht. Im Inneren des Gebäudes hatte sich ein Abhang gebildet, auf dem ich nun in einer Lawine aus Staub hinabrutschte. Dann hatte ich den Boden erreicht und löste das Seil, das Tayeb hochzog.
    Es war heiß und stickig. Und finster wie in Dantes Inferno. Ich schlug Feuer und entzündete eine Kerze.
    Der Boden war ellenhoch mit Sand bedeckt. Wenige Schritte entfernt ragte ein Haufen geborstenen Holzes aus dem Sand - ein Lesepult oder eine Kanzel?
    Die Ruine war so groß wie eine Kirche. Zwei Reihen schlanker Säulen trennten die Seitenschiffe ab und trugen eine Galerie, die zum Teil eingestürzt war. Das Gebäude war ...
    Mit der Kerze in der Hand stolperte ich an der zerstörten Kanzel vorbei zum Ende der Halle.
    ... war eine Synagoge!
    Ich stapfte weiter.
    Dort in der Wandnische hatte der Tora-Schrein gestanden. Er war vermutlich durch das Erdbeben zerstört worden, das die Synagoge so stark beschädigte, dass sie aufgegeben wurde.
    Mein Blick fiel auf etwas Weißes zu meinen Füßen.
    Eine Muschel!
    Ich wusste, wie sie in die Synagoge gekommen war ...

    Der orthodoxe Patriarch hatte mich am vorigen Freitag empfangen. Philotheos wollte die Tochter des berühmten Fra Luca d'Ascoli kennenlernen, des ›Richters Gottes‹, der während des Konzils in Konstanz drei Päpste abgesetzt und die Kirche geeint hatte. Ich hatte Seiner Seligkeit von meiner Suche nach der Bibliotheca Alexandrina erzählt und ihn gebeten, mir Zutritt zu seiner Bibliothek zu gewallten, wo ich lateinische und griechische Geschichtswerke studieren wollte - wie das von Ammianus Marcellinus, dem bedeutendsten spätantiken Historiker. Sehr eindringlich hatte er die Katastrophe beschrieben, die Alexandria im Juli 365 vernichtet hatte:
    Vor Sonnenaufgang hatten Blitze den Himmel erleuchtet, und ein furchtbares Erdbeben hatte die Stadt erschüttert. Hunderte Gebäude waren eingestürzt, und auch der Königspalast und die Bibliothek waren beschädigt worden. Das Meer hatte sich bis zum Horizont zurückgezogen und den Meeresboden freigelegt, so weit das Auge reichte. Hilflos zappelten die Fische im feuchten Schlamm. Im Hafen von Alexandria lagen die Schiffe auf dem Trockenen. Die Menschen, entsetzt und verängstigt über das starke Erdbeben und das unerklärliche Zurückweichen des Meeres, standen am ehemaligen Strand und starrten wie gebannt zum fernen Horizont. Eine Welle raste auf die Stadt zu. Je näher sie kam, desto gewaltiger wurde sie. Schiffe wurden mitgerissen und zerbrachen in der hochspritzenden Gischt. Mit furchtbarer Wucht ergoss sich die Flutwelle in die Stadt und riss alles mit, was das Erdbeben zuvor zerstört hatte. Boote wurden zwei Meilen weit in die Wüste getragen. Der Palast der Ptolemäer versank im Hafenbecken. Fünfzigtausend Menschen ertranken in den wirbelnden Fluten.

    Ich bückte mich und hob die Muschel auf.
    Das Erdbeben und die nachfolgende Flutkatastrophe hatten diese Synagoge so stark beschädigt, dass sie seither verlassen war. Würden wir in der Genisa, der Schriftenkammer, überhaupt noch etwas finden, das die Fluten nicht vernichtet hatten? Nur wenn die Papyrusrollen und Pergamentcodices, wie in der Antike üblich, in Tonkrügen versiegelt waren.
    Ich kehrte zum Durchschlupf im Gewölbe zurück und bohrte meine Kerze in den Sand. »Tayeb!«
    Ein Schatten hob sich dunkel und bedrohlich gegen den Sternenhimmel ab.
    Als er nicht sofort antwortete, wurde ich unruhig: Waren wir doch verfolgt worden? Wer war der junge Mann, der uns seit

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