Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
entführen zu lassen? Er ist gestern gegen den Willen des Kaisers abgereist. Vielleicht verschleppt er sie nach Mistra, um dich zu zwingen, Florenz zu verlassen. Vielleicht will er so die Kirchenunion verhindern.«
»Ich weiß es nicht«, murmelte ich.
»Und Ioannis? Nach ihrem erbitterten Wortgefecht mit dem Basileus ... ihrem entschiedenen Nein ... Ioannis hat getobt!« Ich schüttelte den Kopf.
Basilios fuhr sich über das Gesicht. »Cosimo bat mich, dir auszurichten, dass er dir sehr gern seine Zelle in San Marco zur Verfügung stellt. Falls du dich besinnen willst.« Er hob die Hand, als ich zu einer Antwort ansetzte. »Lass mich bitte ausreden, Niketas! Cosimo ist besorgt um dich. Und ich bin es auch. Du musst dich schonen und endlich zur Ruhe kommen. Hier, wo dich alles an sie erinnert, wirst du es nicht schaffen. Du bist einsam. Du trauerst, du hoffst, du bangst um ihr Leben. Und ich fürchte um deines. Ich sehe doch, wie du leidest, auch wenn du dich redlich bemühst, es nicht zu zeigen. Niketas, ich bitte dich: Begib dich für einige Tage in Klausur nach San Marco. Sprich mit Fra Antonino. Vertrau dich ihm an. Er hat dich schon einmal ins Leben zurückgeführt.«
Ich schwieg.
»Wenn der Basileus sie entführen ließ, dann wäre dein Rückzug ins Kloster ...«
»... eine Unterwerfung unter seinen Willen«, presste ich hervor. »Niemals!«
»... ein Akt der Besinnung«, fuhr er sanft fort. »Der Basileus hat Alessandra sehr nachdrücklich aufgefordert, dich der Kirche zurückzugeben! Du bist ein Mönch, ein Priester, ein Bischof! Dein Aufenthalt in San Marco wäre ein Zeichen der Versöhnung mit deinem Bruder. Niketas, ich flehe dich ...«
»Es ist Verrat an ihr! Ich werde nicht ins Kloster gehen.«
»Wie du willst!« Er nahm meine Hand und drückte sie. »Ich werde immer für dich da sein, Niketas!« Tränen standen in seinen Augen. »Ich werde dich trösten. Und wenn du ...« Er biss sich auf die Lippen. »... dann werde ich dich in meinen Armen halten, wie sie dich gehalten hätte. Ich werde bei dir sein, Niketas, bis zum letzten Augenblick. Du bist nicht allein!«
»Evcharistó«, dankte ich ihm gerührt. »Du bist der beste Freund, den ich mir wünschen kann.«
Es klopfte, und Leandros betrat den Raum. »Kyrie Niketas, Kyrie Basilios, bitte verzeiht mir, wenn ich ...«
»Was ist denn?«, fragte Basilios.
»Seine Allheiligkeit wünscht Kyrios Niketas zu sehen.« Ich setzte mich auf. »Wie geht es ihm?«
»Der Patriarch ist sehr krank und bittet Euch um die Ölung. Er will, dass Ihr ihm das Sakrament spendet.« Mein Freund sah mich bestürzt an. Lag der Patriarch im Sterben?
Basilios begleitete mich in den Palazzo Ferrantini. Der Sekretär des Patriarchen öffnete uns die Tür zu seinem Schlafzimmer und ließ uns eintreten.
Totenbleich lehnte Joseph in einem Berg von Kissen. Auf dem Nachttisch neben ihm sah ich ein Evangeliar und eine Glaskaraffe mit honigfarbenem Ol. Einem goldenen Räuchergefäß entströmte eine dichte Wolke Weihrauchduft. Alles war vorbereitet.
»Niketas, mein lieber Junge, ich freue mich, Euch zu sehen!« Josephs Stimme war kaum mehr als ein schwacher Atemhauch. »Und Ihr seid auch gekommen, Basilios. Das ist gut.«
Ich ließ mich auf den Bettrand sinken und ergriff seine Hand, um sie zu küssen. »Wie geht es Euch, Allheiligkeit?«
»Ich fühle mich sehr schwach«, flüsterte er. Er litt unter Atemnot. Selbst das Sprechen fiel ihm schwer.
»Habt Ihr wieder Schmerzen in der Brust?«
Er nickte und zeigte auf sein Herz.
»Allmächtiger Gott!«, entfuhr es Basilios, der auf der anderen Seite des Bettes stand.
Der Patriarch reichte ihm die Hand zum Kuss. »Bitte setzt Euch zu mir, Basilios, während Niketas mir die Krankenölung spendet.«
Basilios ließ sich neben ihm nieder, hielt seine Hand und sprach leise ein Gebet, während ich mich erhob, um die Kerzen neben dem Evangeliar zu entzünden, Tisch und Bett mit dem Weihrauchgefäß zu beräuchern und das Salböl zu weihen. Dann goss ich ein wenig Öl in eine Schale, setzte mich neben Joseph, salbte ihn mit einem Pinsel und betete gemeinsam mit Basilios um die Heilung des todkranken Patriarchen.
Als ich mich wieder zu ihm gesetzt hatte, ergriff Joseph meine Hand und drückte sie. »Isidor hat mir berichtet, dass gestern eine Gruppe von Mönchseremiten zur Konzilssitzung gekommen ist.«
»Das stimmt, Allheiligkeit. Die Fratres wollten den griechisch-römischen Disput über das Filioque verfolgen.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher