Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
nachdem sie die Argumente beider Seiten angehört hatten, erklärten sie, wir orthodoxen Christen bewahrten den Glauben Jesu Christi. Und wieder gab es einen Aufruhr in der Kathedrale! Eugenius hat die Eremiten hinausgeworfen, in ein Kloster verbannt und ihnen zur Strafe das Schweigegelübde auferlegt.« Er seufzte. »Isidor war bestürzt über das Verhalten des Papstes. Er nannte Eugenius selbstherrlich, machtbesessen und gewissenlos und fragt sich, ob er unter diesen Umständen den Kardinalspurpur annehmen kann.«
»Isidor war gestern bei mir und hat sich mir anvertraut.«
Joseph drückte meine Hand. »Ich weiß nicht, wann Gott mich zu sich ruft. Heute Nacht oder in einigen Tagen. Ich bitte Euch, mein Sohn, überdenkt Euren Entschluss!«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ehrwürdiger Vater. Ich habe mich entschieden.«
»Und wenn Alessandra tot ist?«
»Das ändert nichts an meiner Entscheidung.«
Der Patriarch presste die Hand auf sein Herz und rang nach Atem. »Ich flehe Euch an, Basilios, redet mit ihm!«, keuchte er. »Erinnert ihn an das Versprechen, das er Kaiser Manuel auf dem Sterbebett gegeben hat!«
»Das habe ich getan, Allheiligkeit«, erwiderte Basilios sanft. »Als Priester kann ich dazu nicht Ja und Amen sagen. Aber als Freund werde ich diese Entscheidung respektieren. Niketas hat sie sich nicht leicht gemacht.«
Joseph nickte resigniert. »Dann nehme auch ich Eure Entscheidung an, Niketas, wenn auch mit dem allergrößten Bedauern. Ich werde die entsprechenden Dokumente noch heute Nacht unterschreiben.«
Kapitel 25
»Luca!«, fragte ich verwirrt. »Bist du es, Papa?«
Luca hatte die Mönche vertrieben, die Zelle aufgeschlossen und war in der Tür stehen geblieben. Er hatte geweint, als er bekannte, er sei mein Vater. Dann hatte er sich ohne ein Wort des Trostes abgewandt und mich allein gelassen. Doch dieser Dominikaner kam nun einen Schritt näher. Fra Elia tauchte hinter ihm auf, nahm ihm die Bibel ab und reichte ihm ein schmales Büchlein und eine brennende Kerze.
»Ich bin nicht Luca«, erklärte der Dominikaner mit sanfter, beruhigender Stimme. »Ich bin Fra Mariano da Palestrina, der Prior dieses Konvents.«
Im Kerzenschein musterte ich sein hageres Gesicht, die eisblauen Augen, die schmalen Lippen, den weißen, ein wenig zerzausten Haarkranz rund um die Tonsur.
»Ihr wart Lucas Sekretär, als er Inquisitor von Rom war.«
»Ich habe Euren Vater sehr verehrt«, gestand er mir mit leiser Stimme. »Luca war ein Heiliger. Seine Exkommunikation durch Papst Eugenius hat mich tief getroffen. Lucas Tod ist ein großer Verlust für die heilige Kirche!«
»Ihr stammt aus Palestrina.«
Fra Mariano blickte hinaus in den Gang, schloss dann die Tür der Zelle und lehnte sich dagegen. Offenbar wollte er verhindern, dass Fra Elia unser Gespräch belauschte.
»Seid Ihr ein Freund der Colonna?«
Er nickte. Eine stumme Antwort, für die es keine Zeugen gab. Und keine Ankläger.
»Warum habt Ihr als Prior zugelassen, dass Marco Colonna zu Tode gefoltert wurde?«
»Ich war nicht in Rom, als Kardinal Vitelleschi den Befehl gab, Marco hierher zu bringen. Ich befand mich auf dem Weg nach Ferrara, wo ich an der Sitzung teilgenommen habe, in der Eugenius die Basler Konziliaristen als Schismatiker verurteilte. Als Doktor des Kanonischen Rechts war ich Konzilsberater Seiner Heiligkeit, vor allem für Fragen, die die Inquisition betreffen. Bis Anfang September, als die Pest ausbrach, bin ich in Ferrara geblieben. Als ich nach Rom zurückkehrte, habe ich von Marcos Tod erfahren. Ich war erschüttert.«
Ich nickte stumm und blickte ihm in die Augen. War er aufrichtig?
»Wisst Ihr, warum ich hier bin?«, drehte ich die erste Frage des Inquisitors in einer Prozessbefragung sinngemäß um.
»Weißt du, warum du hier bist?‹, so lautete die Frage, mit der ein Inquisitor sein Verhör begann. Welch scheinheilige Rhetorik! Die meisten Angeklagten wussten nicht, wer sie verraten hatte und was man ihnen zur Last legte. In ihrer Furcht bezichtigten sich viele selbst der Häresie, um ein milderes Urteil zu erreichen und dem Scheiterhaufen zu entgehen.
»Nein, das weiß ich nicht«, erwiderte Fra Mariano ernst. »Vitelleschi hat befohlen, Euch in diese Zelle zu bringen.«
»Werde ich vor einem Inquisitionstribunal angeklagt?«
Er hob die Hand, wie zum Schwur. »Nach bestem Wissen und Gewissen: Nein!«
»Werde ich gefoltert?«
»Um Gottes willen: Nein!«
Ich atmete auf.
Vitelleschi hielt mich gefangen,
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