Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
ägyptischen Dialekt. Mein Arabisch hatte einen Anklang von Tamaschek, der Sprache der Tuareg.
Er beugte sich noch weiter vor, um mir in die Augen zu sehen, doch ich senkte beschämt die Lider und wandte mich ab. »Kann ich jetzt gehen?«
Mit einer lässigen Handbewegung entließ er mich - er hatte keinen Grund, mich noch länger aufzuhalten. Ich atmete auf.
Während er zum Brunnen zurückschlenderte, stieg ich die Treppe empor zur Galerie und wandte mich nach rechts.
Ein verstohlener Blick hinunter in den Hof verriet mir, dass die beiden mich nicht weiter beachteten. Sie suchten Alessandra d’Ascoli, eine selbstbewusste Florentinerin, die in Begleitung eines muslimischen Gelehrten reiste, und keine schüchterne ägyptische Bedienstete, die einem venezianischen Gewürzhändler Waren in den Funduk brachte. Sie lehnten am Springbrunnen und beobachteten schwatzend und Dattelkerne auf den Boden spuckend das Tor zum Innenhof. Plötzlich trabte ein Reiter durch das Portal und zugehe sein Pferd.
Mein Gott!, dachte ich. Ist das der Mann, der am Strand beobachtet hat, wie Tayeb das Boot um die Landzunge steuerte? Wenn er uns am Hafenkai gesucht hatte, musste er das verlassen im Hafen treibende Ruderboot entdeckt haben. Tayeb hatte es, nachdem wir ausgestiegen waten, zurück in die Wellen des Hafenbeckens geschoben. Während der Kahn langsam vom Ufer wegtrieb, waren wir zu Fuß weiter in Richtung des Souks geflüchtet. Nachdem der Berittene das leere Boot gefunden hatte, konnte er sich denken, wohin wir fliehen wollten.
Ich musste mich beeilen! Ich huschte an Antonio Trevisans geöffneter Tür vorbei und erreichte die Wohnung, die ich mir mit Tayeb teilte.
Die Tür stand offen.
Ich ließ die Leinensäcke zu Boden gleiten, zog meinen Dolch und betrat den ersten Raum: Tayebs Schlafgemach. Ich wohnte und arbeitete in der hinteren Kammer. Sein Bett war zerwühlt, das Kopfkissen lag auf dem Boden - dabei hatte Tayeb die vorletzte Nacht auf dem flachen Dach unter dem Sternenhimmel verbracht.
Seine Reisetruhe, seine Kleidung und seine Bücher waren verschwunden!
Ich hastete zur nächsten Tür und stieß sie auf.
Auch meine Kammer war leer geräumt!
Die kostbaren Codices, die ich für Cosimo gekauft hatte, unsere Kleidung, unser Geld - alles war weg! Ich unterdrückte ein Stöhnen.
Sie waren hier gewesen! Die Männer im Hof waren Gefolgsleute des Patriarchen!
Ich musste so schnell wie möglich verschwinden, bevor sie mich ...
»Signorina Colonna?«, hörte ich eine Stimme von der Tür zur Galerie. Ein Assassino? »Ich habe auf Euch gewartet ...« Mit erhobenem Dolch wirbelte ich herum.
Kapitel 6
»Seine Majestät der Kaiser erwartet Euch, Euer Seligkeit!«
Als ich nach dem herzlichen Abschied von Basilios im Schneegestöber das Vorzimmer des kaiserlichen Arbeitsraumes betrat, erhob sich Giorgios Scholarios, der Sekretär und Vertraute des Basileus, um mir dem Zeremoniell gemäß die Hand zu küssen. Dann wandte er sich zur Tür, um mich dem Kaiser zu melden.
»Giorgios!«, hielt ich ihn auf.
Er drehte sich zu mir um. »Eure Seligkeit?«
»Unsere Unterredung kann lange dauern. Nach dem Anfall bin ich zu erschöpft, um nachher in meinen Palazzo zurückzukehren. Ich werde in einem der Sessel im Audienzzimmer nächtigen. Würdet Ihr mir bitte eine warme Decke bringen lassen?«
»Ihr könntet in meinem Bett schlafen«, bot er mir an - alle Lager im Castello waren belegt.
»Vielen Dank, Giorgios. Aber der Sessel vor dem Kamin wird mir genügen.«
»Wie Ihr wünscht.«
»Und bitte wartet nicht auf mich. Geht schlafen! Kali nichta - gute Nacht!«
Er nickte, öffnete leise die Tür und kündigte mich an: »Seine Seligkeit, Niketas IV. Evangelos, Metropolit und Erzbischof von Athen, Exarchos von Griechenland, Archimandrit von ...«
»Ich kenne seine Titel, Giorgios!«, unterbrach ihn der Basileus ungeduldig. »Ich habe sie ihm verliehen.«
»Ja, Euer Majestät!«
Nachdem Ioannis den kaiserlichen Purpurornat abgelegt hatte und nun eine bequeme dunkelblaue Robe trug, hatte er es sich in einem Sessel am Kamin gemütlich gemacht. Die Beine hatte er auf eine Büchertruhe gelegt. Auf seinem Schoß ruhte ein Buch.
»Komm herein, Niketas!«, winkte Ioannis mich zu sich, klappte den Folianten zu und legte ihn beiseite. »Setz dich zu mir an den Kamin. Die Wärme wird dir guttun. Mir lindert sie ein wenig die Schmerzen der Gicht. Die sechsstündige Messe in der eiskalten Kirche war eine Tortur.«
Als ich näher ans
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