Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
auf die hebräische Schrift. »Wisst Ihr, welches Wort Jesu dort steht?«
»Nein.«
»›Jesus sprach: Nach deinen Worten wirst du gerichtet werden und nach deinen Taten verdammt.‹«
Der Kardinal warf Lucas Tochter einen langen Blick zu. Dann hielt er den Papyrus in die Flamme der Kerze, bis er sich daran die Finger verbrannte.
Alessandras Blick war unergründlich.
In dieser Nacht lagen wir eng umschlungen in meinem Bett, hielten einander zärtlich im Arm und liebten uns mit einer selbstvergessenen Seelenruhe, als hätten wir alle Zeit der Welt für unsere Liebe. Als würde es nie wieder einen Abschied geben. Kein Bangen, kein Hoffen, kein Sehnen.
Ich ließ mich hinaufwehen in den Himmel ... in die Ewigkeit ... Ein Gefühl von Glückseligkeit, das ich mit Worten nicht beschreiben kann, durchströmte mich und riss mich mit sich fort, immer höher empor ins hell strahlende Licht ... zu Gott.
Einen Herzschlag lang glaubte ich, nicht mehr zu sein ... eins zu werden ... zu sterben ... zu verlöschen und zu verwehen ... in die Lichtfunken, die plötzlich vor meinen Augen tanzten ...
Nicht jetzt!, schrie ich im Innersten. Nicht ausgerechnet jetzt!
Stöhnte ich vor Lust oder vor Schmerz?
Meine Glieder begannen zu beben, und meine Hände zitterten. Doch dann wichen die furchtbaren Qualen einer Feinfühligkeit, die meine Sinnenlust bis zur Ekstase steigerte.
Gemeinsam erlebten wir die kostbarste aller Empfindungen.
Ich war am Ende meiner Kräfte, als ich mich schwer atmend in die Kissen zurücksinken ließ und für einen Moment die Augen schloss.
Sie legte sich neben mich, strich mir zart über das Gesicht und wischte eine Träne fort. »Du weinst«, flüsterte sie gerührt. Sie hatte nichts von dem Anfall bemerkt!
»Ich bin so glücklich!«, gestand ich atemlos. »Und so traurig, weil ich weiß, dass unser Glück ...«
Sie küsste mir die Worte von den Lippen, und ich verstummte. »Ich liebe dich!«, flüsterte sie.
»Und ich liebe dich. Die Tage und Nächte der Ungewissheit waren mir unerträglich. Ich fürchtete, dich für immer verloren zu haben. Ohne dich hat mein Leben keinen Sinn.«
»Hattest du wieder einen Anfall?«
Ich schüttelte den Kopf, denn ich wollte sie nicht noch mehr beunruhigen, indem ich ihr gestand, dass ich nach ihrem Verschwinden erneut gestürzt war. Basilios war bei mir gewesen, als es geschah - außer ihm wusste niemand davon.
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.« Ich nahm das Dokument, das der Patriarch unterzeichnet hatte, und gab es ihr.
Mit zitternden Fingern entfaltete sie das Pergament. Tränen traten in ihre Augen, und ihre Lippen bebten, als sie die griechischen Zeilen überflog. Schluchzend umarmte sie mich und hielt mich fest. »Kennt der Papst deine Entscheidung?«
»Nein, er weiß nichts davon. Er glaubt, dass ich wie Basilios und Isidor als Kardinal in Florenz bleiben und ihm helfen werde, die vereinigte Kirche zu regieren.«
»Wann willst du ihm deinen Entschluss mitteilen?«
»Vor meiner Abreise, einige Tage nach der Unterzeichnung des Unionsdekrets. Basilios und ich wollen gemeinsam zurücksegeln, er nach Konstantinopolis, ich nach Athen.« Traurig nickte sie.
»Dann werde ich von Athen nach Hause zurückkehren.« Erneut brach sie in Tränen aus, und ich nahm sie tröstend in den Arm. »Niketas, ich habe furchtbare Angst, dich zu verlieren.« Wie gern hätte ich ihr gesagt: Das wirst du nicht.
Carpe diem - Lebe den Tag, und vertrau nicht darauf, dass es einen nächsten geben wird! Wir lebten dem Tod zum Trotz und genossen die Tage in Rom, als wären es die letzten glücklichen Stunden unseres Lebens. Cesare hatte uns eine bewaffnete Leibgarde gestellt, die uns vor Vitelleschis Zorn und einem Attentat beschützen sollte.
Am nächsten Morgen ritten Alessandra und ich zur Basilika San Paolo fuori le Mura und besuchten das Grab des Paulus.
»Glaube, Hoffnung, Liebe - aber die Liebe ist die größte unter ihnen«, zitierte Alessandra feierlich sein Hohelied der Liebe und hielt meine Hand. »Nur der Tod kann meine Liebe zu dir besiegen, Niketas. Ich werde dich lieben, in den Zeiten des Glücks und in den Zeiten des Leids. Ich will bei dir sein, bis der Tod uns auseinanderreißt. Vor Gott bist du mein Mann, und ich bin deine Frau.«
Von ganzem Herzen erwiderte ich ihren Schwur und besiegelte ihn mit einem Kuss.
Wir wollten heiraten, sobald ich in einigen Monaten mit Basilios aus Konstantinopolis zurückgekehrt war. Unser Freund sollte uns in San Marco
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