Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
schmerzte.
Der Basileus, der nach dem Tod des Patriarchen die orthodoxe Kirche regierte, unterwarf sich Rom und bekannte, »dass der römische Pontifex den Primat über die ganze Welt innehat und dass er der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus ist, der wahre Stellvertreter Christi, das Oberhaupt der vereinigten Kirche«.
Am Sonntag, dem 5. Juli, unterschrieben der Kaiser von Byzanz und die Hierarchen der orthodoxen Kirche das Unionsdekret, das Basilios Bessarion und Ambrogio Traversari zuvor erarbeitet hatten, um das Schisma von 1054 zu beenden. Nur einer weigerte sich: Markos von Ephesos, dem man drohte, ihn entweder zur Unterschrift zu zwingen oder zu exkommunizieren. Doch bis zuletzt blieb Markos standhaft. Im Stillen bewunderte ich ihn für seinen Mut. Markos war das, was nach der Unterzeichnung des Unionsdekrets von der orthodoxen Kirche übrig geblieben war. Er war das Gewissen des orthodoxen Glaubens, das wir verraten hatten.
Als ich Papst Eugenius das unterzeichnete Unionsdekret überbrachte, fragte er mich, ob der Metropolit von Ephesos unterschrieben hatte. Als ich verneinte, murmelte er enttäuscht: »Dann hat Rom den Kampf verloren.«
Am 6. Juli 1439 beging Florenz das größte Fest seiner Geschichte. Tausende Menschen aus aller Herren Länder waren in die Stadt gekommen, um das großartige Ereignis der Wiedervereinigung der beiden Kirchen zu bestaunen.
Papst Eugenius feierte in der Kathedrale eine Messe nach lateinischem Ritus - ohne die griechische Beteiligung an der Eucharistiefeier, um die ihn der Basileus zum Zeichen der Ökumene sehr eindringlich gebeten hatte.
Dennoch umarmten sich Basilios Bessarion und Giuliano Cesarini nach dem Gottesdienst zum Friedenskuss und verlasen gemeinsam die auf Griechisch und Lateinisch verfasste Unionsbulle Laetentur Coeli - was übersetzt heißt: Die Himmel frohlocken. »Freuen sollen sich die Himmel, und es frohlocke die Erde! Denn das Schisma, das die westliche und die östliche Kirche trennte, ist beseitigt, und Friede und Eintracht kehren zurück ...«
Die Zeremonien nach der Verlesung der Unionsbulle waren nicht der in der Bulle beschworene Sieg der Vernunft, sondern eine tiefe Demütigung und - da stimmte ich Markos von ganzem Herzen zu - die triumphalste Niederlage, die Byzanz je erlitten hatte. Denn der Basileus, der Stellvertreter Jesu Christi, der Nachfolger Konstantins des Großen als römischer Kaiser, kniete zum Zeichen seines Gehorsams vor dem Papst nieder, der mit dieser Geste der Unterwerfung zum Oberhaupt der vereinigten christlichen Kirche erklärt wurde.
Mir war zum Weinen zumute!
Am Tag darauf bat ich Eugenius um eine Unterredung und teilte ihm mit, dass ich in den nächsten Tagen nach Athen abreisen würde. Er war enttäuscht, denn er hatte gehofft, ich würde ihm als mächtigster Kardinal an seiner Seite helfen, die Kirche zu regieren.
Noch während meiner Audienz traf ein völlig erschöpfter Bote aus Basel ein. Die Basler Konziliaristen hatten Papst Eugenius am 25. Juni als Häretiker verurteilt und exkommuniziert.
»Das, Bruder Gabriel, ist der Grund, warum ich nach Athen zurückkehren muss«, eröffnete ich dem Papst verbittert. »Ich muss den Gläubigen erklären, warum ich meinen orthodoxen Glauben verriet und wieso ich mich einem abgesetzten und exkommunizierten Häretiker unterworfen habe.«
Wenige Tage später entließ ich Leandros, der in Florenz bleiben wollte, aus meinen Diensten. Dann packte ich meine Truhen, um mit Basilios und Alessandra nach Venedig zu reisen, und verabschiedete mich von Ioannis. Ich war traurig, weil wir wegen meiner Liebe zu Alessandra im Streit auseinandergingen, ohne Hoffnung auf Versöhnung. Ich würde meinen Bruder wohl nie mehr Wiedersehen.
Der Abschied von Florenz zerriss mir das Herz: So viel ließ ich hier zurück. Cosimo, der mir wie Giuliano Cesarini in den letzten schweren Wochen ein guter Freund geworden war und mir ermutigend zur Seite stand. Und Alessandra, die Liebe meines Lebens, die ich in wenigen Tagen am Molo in Venedig verlassen musste.
Am späten Nachmittag erreichten wir, von Padua kommend, die Lagune von Venedig. Möwen schwebten in der feuchtheißen Brise über den türkisfarben glitzernden Wellen. Tief atmete ich den Duft von Seetang ein. Das Meer hatte ich in Ferrara und Florenz sehr vermisst.
Wir wurden erwartet. Der Doge hatte seinen Sohn Jacopo Foscari geschickt, der uns in Venedig willkommen heißen und in die Ca' Foscari am Canal Grande geleiten sollte.
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