Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
türkischen Angriffs die Stadt verteidigen sollten, sowie zwei Kriegsgaleeren. Falls Sultan Murad Konstantinopolis belagere, werde er zwanzig weitere Galeeren aufbieten und die englischen, französischen, deutschen, spanischen und italienischen Herrscher zur Rettung von Byzanz herbeirufen. Er werde zu einem Kreuzzug zur Befreiung von Jerusalem aufrufen, der über Konstantinopolis führen und die Türken vertreiben solle.
Ich weigerte mich, unter diesen Bedingungen das Unionsdekret zu unterzeichnen, und ließ mich erneut auf einen erbitterten Streit mit dem Kaiser ein. Ioannis war zu verzweifelt, um zu erkennen, dass ein derartiger Kreuzzug, der wie jener im Jahr 1204 zur Eroberung und Plünderung von Konstantinopolis durch die Kreuzfahrer führen konnte, den endgültigen Untergang des Byzantinischen Reiches bedeutete.
Als Ende Mai etliche Metropoliten gegen den Befehl des Basileus ihre Reisetruhen packten, um verbittert in ihre Kirchenprovinzen zurückzukehren und dort für Ruhe zu sorgen, sprach schließlich Eugenius selbst zum Konzil und bat die Delegierten sehr eindringlich, »nicht mit dem Schmerz der Spaltung auseinanderzugehen«.
Am 30. Mai entschied Patriarch Joseph, dass das Filioque im Sinne von Basilios Bessarions dogmatischer Rede durch die orthodoxe Kirche anerkannt werden könne - die orthodoxe Liturgie und der griechische Ritus sollten jedoch unverändert bleiben. Am 3. Juni, dem Tag vor dem Fest des Corpus Christi, versammelten sich die griechischen Hierarchen zu einer endgültigen Entscheidung. Patriarch Joseph, der nach einem erneuten Schwächeanfall zu krank war, um eine Rede zu halten, ließ Isidor von Kiew sein Dekret verlesen. Daraufhin erklärten die Metropoliten und Erzbischöfe einer nach dem anderen vor dem Patriarchen und dem Kaiser, dass auch sie das Filioque annehmen würden - nur Markos von Ephesos, Antonios von Heraklion und zwei weitere Bischöfe lehnten eine solche Unterwerfung unter die römische Häresie ab. Nach endlosen Debatten gaben die Hierarchen schließlich nach. Nur Markos von Ephesos blieb unbeugsam.
Sowohl der Patriarch als auch der Kaiser versuchten ihn umzustimmen, doch Markos blieb standhaft. Als der Kaiser ihn aufforderte: »Zeigt uns einen Ausweg!«, erwiderte er: »Was gibt es zwischen Wahrheit und Lüge? Zwischen Ablehnung und Zustimmung? Niemals kann eine Streitfrage des Glaubens durch Unterwerfung unter die Häresie gelöst werden!«
Zwei Tage später bat mich der todkranke Patriarch erneut um die Krankenölung, und am 10. Juni 1439 verschied Joseph nach langer, schwerer Krankheit. Er starb, wie er gelebt hatte: mit Würde und einem stillen Lächeln.
Gott schenkte ihm die Gnade, die Demütigungen, die die orthodoxe Kirche in den folgenden Tagen erdulden musste, nicht mehr mitzuerleiden.
Ich war bei ihm in jener Nacht, als er für immer ging, und weinte um meinen Freund und Mentor, den ich gekannt hatte, seit ich im Alter von acht Jahren in den Kaiserpalast gekommen war. Er hatte mich in der Hagia Sophia getauft, er hatte mich zum Diakon geweiht, zum Priester und zum Bischof. Er hatte mich zum Metropoliten von Athen ernannt und hätte sich gewünscht, dass ich ihm als Patriarch nachfolgte. Doch diesen Herzenswunsch konnte ich ihm nicht erfüllen.
Joseph II. wurde in der Kirche Santa Maria Novella in einem bewegenden Trauergottesdienst beigesetzt, an dem ganz Florenz teilnahm, um ihn zu ehren - der Papst, der Kaiser, die Kardinäle und Metropoliten, Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte beider Delegationen, die Prioren von Florenz sowie Hunderte Florentiner, die auf der überfüllten Piazza das Geschehen verfolgten.
Am nächsten Tag verlas ich vor den versammelten Hierarchen ein Pergament, das ich am Morgen nach seinem Tod neben seinem Bett gefunden hatte: »Ich, Joseph II., Patriarch von Konstantinopolis, erkenne Eugenius IV., den obersten Pontifex und Stellvertreter unseres Herrn Jesus Christus, den Papst von Rom, an. Florenz, den 9. Juni 1439.«
In der Nacht vor seinem Tod schien der sterbende Patriarch diese Zeilen mit zittriger Hand niedergeschrieben und unterzeichnet zu haben. Ich wusste, dass das Dokument eine Fälschung war, denn ich war bei ihm gewesen in jener Nacht, da er als orthodoxer Christ verschied. Und ich ahnte, wer in seiner Hoffnungslosigkeit den Befehl gegeben hatte, dieses letzte Bekenntnis neben das Bett zu legen, damit ich es fand. Ich ließ mich auf keinen neuen Streit mit ihm ein und schwieg dazu, obwohl mich dieser Verrat an Joseph
Weitere Kostenlose Bücher