Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
trauen und uns seinen Segen geben. Endlich wollten wir uns zu unserer Liebe bekennen. Während des Konzils in Florenz war das unmöglich gewesen. Doch hier in Rom mussten wir unsere Gefühle nicht verleugnen.
Den Abend verbrachten wir mit Angelo, den ich in mein Herz geschlossen hatte. Beim gemeinsamen Abendessen im Lateranpalast erzählte er mir seine Lebensgeschichte, die mich an meine eigene Kindheit im Armenviertel von Konstantinopolis erinnerte. Im Kerker hatte Alessandra beschlossen, den aufgeweckten Jungen nach Florenz mitzunehmen und im Palazzo d'Ascoli wohnen zu lassen - so wie Luca einst Serafino bei sich aufgenommen hatte. Sein gelähmtes Bein würde sie von einem Chirurgen richten lassen, damit er ohne Krücken gehen konnte, und in einigen Jahren wollte sie ihm ein Studium an der Universität von Florenz ermöglichen.
Am dritten Tag besuchten wir Santa Maria sopra Minerva, wo wir mit Fra Mariano speisten. Der Prior teilte meine Verehrung für Alessandras Vater, den er einen Heiligen nannte, und führte mich durch die Basilika und das Kloster, wo Fra Luca d'Ascoli als Inquisitor von Rom residiert hatte.
Wir besichtigten auch die Kirche Santi Apostoli, Basilios' künftige Titularkirche als römischer Kardinal, und den angrenzenden Palazzo Colonna. Cesare Orsini, der den Schlüssel besorgt hatte, begleitete uns und übersah äußerst taktvoll meinen Arm um Alessandras Schultern, ihre Hand in meiner, unser zärtliches Getuschel und unsere Küsse. Nach der Besichtigung lud er uns zum Abendessen in den Palazzo Orsini ein.
Ich schätzte ihn als aufrichtigen Menschen, der es bereute, sich auf einen Pakt mit Satan eingelassen zu haben, weil der ihm Macht und Ruhm und den Titel eines Herzogs im Patrimonium Petri versprochen hatte. Cesare hatte schon zu viele Opfer gebracht: sein großes Vorbild Marcantonio Colonna, seinen Cousin Marco, seinen Bruder Napoleone und beinahe auch Alessandra, für die er Gefühle hegte, die er mir nicht eingestehen konnte, weil er fürchtete, meine Eifersucht und meinen Zorn zu erregen. Wie oft beteuerte er mir an jenem Abend, sein Treueschwur als Condottiere der Kirche gelte zuerst und zuletzt Papst Eugenius - nicht Kardinal Vitelleschi!
Am Morgen des 4. Mai brachen wir nach einem zehntägigen Aufenthalt in Rom nach Florenz auf. Wir ritten nach Civitavecchia, dem befestigten Kriegshafen des Kirchenstaates, wo wir ein Schiff nach Pisa bestiegen. Die Überfahrt auf einer venezianischen Galeere dauerte zwei Tage. In Pisa übernachteten wir im Palazzo Medici nahe dem Ponte della Fortezza am Ufer des Arno. Am 9. Mai, wenige Tage vor Christi Himmelfahrt, erreichten wir Florenz.
Das Konzil drohte endgültig zu scheitern.
Basilios' dogmatische Rede vom 14. April zur Auslegung des Filioque hatte viele Griechen und Lateiner inspiriert, die einen Silberstreif am Horizont zu sehen glaubten, der sich am Ende jedoch als Illusion herausstellte. Die Verhandlungen waren festgefahren. Die Diskussionen in der Kathedrale und, nach den Konzilssitzungen, in Alessandras Bibliothek arteten in erbitterte Wortgefechte aus, die griechischen und lateinischen Delegierten waren gereizt, enttäuscht und hoffnungslos, die Fronten waren verhärtet. Noch nie hatte ich Basilios derart niedergeschmettert gesehen. Wie ich hatte er seit der Eröffnung des Konzils vor über einem Jahr in Ferrara gehofft, dass die Wiedervereinigung der beiden Kirchen möglich war. Wir hatten Konstantinopolis vor eineinhalb Jahren verlassen. Und was hatten wir seitdem erreicht? Nichts!
Auch der Basileus hatte die Hoffnung aufgegeben, das Schisma zu beenden und einen Kreuzzug gegen Sultan Murad anzuführen, um das Byzantinische Reich zu retten. Mein Bruder war so verzweifelt, dass er Basilios, Isidor und mich zum Papst schickte, um Eugenius eine Frage vorzulegen: Was bekommen die Griechen, wenn die Union geschlossen wird?
Der Kaiser, der Stellvertreter Jesu Christi, fragte den römischen Papst, ob er die orthodoxe Kirche kaufen wollte!
Es war so beschämend, so demütigend! Denn es gemahnte an Judas' Worte zum Hohen Priester: Was wollt Ihr mir geben, damit ich Jesus Christus verrate? Ich selbst habe mich nach den monatelangen zähen Verhandlungen verraten und verkauft gefühlt.
Eugenius sandte drei Kardinäle mit seiner Antwort zum Basileus. Er erklärte, er werde die Kosten für die Rückreise der Griechen nach Konstantinopolis übernehmen. Außerdem werde er dreihundert Söldner nach Byzanz entsenden, die im Falle eines
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