Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Alessandra die Folianten zu den Kunden gebracht, um die reichen und mächtigen Käufer kennenzulernen, die intellektuelle Elite von Florenz: die Medici, Strozzi, Pazzi, Pitti und Bardi, aber auch die Kardinäle und Bischöfe der päpstlichen Kurie, die im nahe gelegenen Kloster Santa Maria Novella residierten. Denn im Gegensatz zu seiner Tochter mied Luca den Amtssitz des Papstes wie Satan die Messe. Während Lucas jahrelanger Abwesenheit hatte Alessandra das Unternehmen allein geführt. Mittlerweile unternahm sie selbst Expeditionen in die ganze Welt, um neue Bücher aufzuspüren.
    Ich trat an Lucas Schreibtisch, auf dem ein Stapel Bücher lag. Clemens von Alexandria, Hippolytos von Rom und Cyril von Jerusalem. Eusebius von Caesareas Kirchengeschichte war noch aufgeschlagen. Der Absatz, in dem er die verschollenen gnostischen Evangelien von Petrus, Matthias und Thomas als häretisch bezeichnete, war mit einem fremdartigen, silbernen Schmuckstück markiert. Eine Kapsel für Koranverse?, fragte ich mich erstaunt, als ich das Amulett näher betrachtete.
    Wie merkwürdig: Auch Clemens, Hippolytos und Cyril hatten in jenen Büchern auf Lucas Schreibtisch die gnostischen Evangelien erwähnt!
    Wieso interessierte sich Luca für die Gnosis, den mystischen Glauben, Gott durch Selbsterkenntnis in sich selbst zu finden, die Häresie, über die ich in den letzten Wochen selbst so intensiv nachgedacht hatte?
    Zwischen den Folianten verstreut lagen winzige Fasern von Papyrus. Als ich einige zwischen meinen Fingern verrieb, zerfielen sie zu Staub. Der Papyrus war antik.
    Was hatte Lucas Tochter in Alexandria gefunden: eine Schriftrolle aus der Bibliotheca Alexandrina? Ein gnostisches Evangelium, das vor der Bücherverbrennung des Patriarchen Athanasios im Jahr 367 gerettet worden war?
    Erneut irrte mein Blick zu Eusebius' Kirchengeschichte. Ein Papierfetzen mit einer handschriftlichen Notiz ragte zwischen den Seiten hervor. Ich zog ihn heraus, warf einen Blick darauf ... und erstarrte.

    Dieses Logion fand sich in keinem der vier Evangelien! Mein Herz setzte einen Schlag aus.
    Ich fürchtete einen neuen Anfall und ließ mich mit zitternden Knien auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. Aufgeregt starrte ich auf Lucas offenbar vergessene Notiz in meiner Hand. Hatte Alessandra ein gnostisches Evangelium gefunden? Das Judas-Evangelium? Oder das Evangelium des Thomas?
    Kein Wunder, dass Luca kurz vor Weihnachten so überstürzt nach Neapel abgereist war! Bei meinem ersten Besuch hatte mir Vittorino erzählt, dass sich Luca mit dem Humanisten Lorenzo Valla treffen wollte. Die beiden kannten sich aus Rom. In einem Nebensatz hatte er die Konstantinische Schenkung erwähnt, über die Luca und Lorenzo offenbar in ihrem Briefwechsel disputierten. Doch als er mein Stirnrunzeln bemerkte, war er sofort verstummt.
    Aber was, um Himmels willen, hatte die Schenkung des Kaisers Konstantin, das Fundament der weltlichen Macht des Papstes, mit einem gnostischen Evangelium zu tun? Ehrlich gesagt: Ich war völlig verwirrt!
    Dann hörte ich ein leises Knirschen. Schritte auf der Treppe. Vittorino.
    Hastig legte ich Lucas Notizzettel zurück. Mit fliegendem Habit eilte ich zum Sessel am Kamin und zog mir die Decke über die Knie. Gerade noch rechtzeitig!
    Vittorino trat ein. »Vergebt mir, Euer Seligkeit, dass ich Euch so lange warten ließ!«, entschuldigte er sich, kniete vor mir nieder und küsste meine Hand.
    »Schon gut!«, winkte ich ab und wischte unauffällig ein paar verräterische Papyrusfasern von meinem Habit. »Ich wollte nachfragen, wann Luca zurückerwartet wird.«
    »Er ist vor zehn Tagen aus Neapel zurückgekehrt«, gestand er verlegen. Er wusste, dass ich auf eine Nachricht von ihm gewartet hatte. »Es tut mir leid, Euer Seligkeit! Bei seiner Ankunft in Florenz fand Luca einen Brief seiner Tochter. Zwei Tage später, am 13. Januar, ist Luca überstürzt nach Ferrara aufgebrochen ...«
    »Nach Ferrara?«
    Monatelang hatte Luca sich geweigert, zum Konzil nach Ferrara zu reisen. Was war geschehen? Ich ahnte es: Wegen des neuen Evangeliums wollte er mit Eugenius sprechen!
    Dann ist es also wahr!, dachte ich fasziniert. Denn was sonst konnte Luca bewegen, mit dem Pontifex zu sprechen, der ihn exkommuniziert hatte?
    »Luca hat mich ausdrücklich gebeten, Euch nicht über seine Rückkehr aus Neapel zu verständigen. Ich sollte Euch bestellen, dass er sich freue, Eure Seligkeit in San Marco zu treffen - Ihr befindet Euch ja in Klausur. Luca

Weitere Kostenlose Bücher