Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
zurückgelassen. Er schickt mir regelmäßig Mitschriften der Konzilssitzungen. Vor wenigen Stunden erhielt ich eine äußerst beunruhigende Nachricht aus Basel. Bisher hatte ich keine Gelegenheit, mit Eurem Vater darüber zu sprechen. Ihr werdet vor mir in Florenz sein. Luca ist in großer Gefahr!«
Ich warf Tayeb, der vom Pferd aus die Straße beobachtete, einen beunruhigten Blick zu. Wann würden Papst Eugenius und Kardinal Vitelleschi uns eingeholt haben? Ungeduldig wartete ich, was mir der Kardinal zu sagen hatte.
»Ihr wisst, dass die Konziliaristen von Basel den Papst seines Amtes enthoben haben, nachdem Eugenius sie exkommuniziert hatte.«
Ich nickte. »Als Vorsitzender hattet Ihr den Prozess gegen Papst Eugenius eröffnet. Nachdem Ihr Basel verlassen hattet, suspendierte das Konzil den Papst. Das war im Januar 1438 - vor einem Jahr.«
»Es gibt Gerüchte, dass die Konziliaristen in Basel den abgesetzten Pontifex als Häretiker verurteilen und exkommunizieren wollen ...«
»O mein Gott!«, entfuhr es mir.
»... und wenn das geschieht, werden sie einen Nachfolger wählen - wie damals in Konstanz, als Euer Cousin Martin gewählt wurde, nachdem drei Päpste abgesetzt und durch Luca verurteilt worden waren.«
»Falls in Basel ein neuer Papst gewählt wird, haben wir ein neues Schisma mit zwei Päpsten.«
»So ist es«, nickte Cesarini ernst. »Und deshalb bin ich froh, dass ich Euch getroffen habe. Alessandra, Ihr müsst Euren Vater warnen!«
»Aber ...«
»Obwohl der französische und der deutsche König das Konzil von Basel unterstützen, haben sie sich bisher nicht so offen gegen den abgesetzten Pontifex gestellt wie der Herzog von Mailand oder der König von Neapel. Doch falls in Basel ein starker Papst gewählt würde ...«
»Das wird nicht geschehen!«, fiel ich ihm ins Wort. »Ein starker Papst würde das Konzil auflösen und den Traum der Konziliaristen vom Supremat über den Papst beenden. Nein, Euer Eminenz, die Basler werden sich einen entscheidungsschwachen Pontifex wählen, der nicht gegen die Oberhoheit des Konzils aufbegehrt.«
Kardinal Cesarini winkte ab. »Die Kirchenunion von Ferrara droht zu scheitern. Etliche orthodoxe Bischöfe sind bereits abgereist, auch der Metropolit von Athen.«
Er zögerte, doch dann verriet er mir:
»Aus verlässlicher Quelle weiß ich, dass Niketas seit drei Wochen in Florenz ist. Der Basileus muss wirklich verzweifelt sein! Wenn der Papst wüsste, dass Niketas hinter seinem Rücken mit Cosimo verhandelt, würde er toben.«
Ich hob die Augenbrauen. »Und woher wisst Ihr das?«
»Ich habe meine Agenten nicht nur in Basel.«
»Eure Agenten, wie Ihr die Fratres zu nennen beliebt, tragen nicht zufällig einen schwarzen Habit?«
Er lächelte rätselhaft, beantwortete meine Frage jedoch nicht. Das musste er auch nicht: Das Kloster der Mönche lag direkt neben seinem Palast - es gab sogar einen geheimen Verbindungsgang. Vor seiner Abreise nach Ferrara hatte er in der Kirche des Ordens jeden Morgen die Messe gelesen.
»Um auf die Wahl eines Gegenpapstes zurückzukommen: Die Kirchenunion ist so gut wie gescheitert. Kein Fürst hat sich in Ferrara blicken lassen, um Kaiser Ioannis militärische Unterstützung gegen die Türken zuzusagen. Die Eroberung von Byzanz ist nur noch eine Frage der Zeit. Wir brauchen die Kirchenunion genauso dringend wie die Griechen!
Ein schwacher Papst würde sich keine vier Wochen auf dem Stuhl Petri halten können - geschweige denn einen Kreuzzug gegen den Sultan organisieren, die Kirchenunion mit den Griechen schließen, die Schismatiker in Basel zum Teufel jagen, Vitelleschis Heere in Italien in Schach halten und Rom für die Kirche zurückerobern. Nein, Alessandra, es gibt nur einen, der all diese Wunder vollbringen könnte. Mit Cosimos finanzieller wie militärischer Unterstützung kann er es schaffen!«
Ich schüttelte den Kopf. »Papst Gregor, Eugenius' Onkel, hatte meinem Vater einen Brief überreicht, adressiert an ›Fra Luca d'Ascoli, designierter Erzbischof von Florenz‹. Mein Vater gab dem Papst das Schreiben zurück und sagte: ›Euer Heiligkeit, dieser Brief ist nicht für mich.‹ Er hat die Ernennung nicht akzeptiert, was Gregors Neffen Eugenius zu seinem Feind machte: Er nannte Luca hochmütig und selbstsüchtig, denn er widersetzte sich dem Papst.
Papst Martin wollte seinen Freund und Vertrauten Luca, damals päpstlicher Legat in Rom, zum Kardinal ernennen. Luca hat es abgelehnt. Nach seiner Flucht aus Rom
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