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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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er morgen Abend Florenz erreichen. Tayeb und ich werden erst übermorgen gegen Mittag ankommen.
    Zu spät?, fragte ich mich und dachte an den blutigen Brief mit unserem Todesurteil.
    »Wo ist er?« Ich starrte den steilen Hang hinab. Mein Blick glitt an der langen Reihe von Würdenträgern in purpurroten, violetten und schwarzen Soutanen entlang, an Mönchen in weißen, braunen und schwarzen Habites, an Dienern, Lastträgern und Pferdeknechten in den Farben des venezianischen Papstes.
    Dann sah ich ihn, nur wenige Schritte vom Bach entfernt: Während der Reise durch Schnee und Schlamm trug er nicht die weiße Papstsoutane, sondern den blauen Habit der Augustiner-Chorherren - diesem Orden gehörte er an.
    Und neben ihm ritt ...
    Nein, das war nicht möglich! Ich hatte gedacht, er wäre in Rom!
    Neben dem Papst ritt Kardinal Vitelleschi in seiner silbernen Prunkrüstung. Seinen Helm zierte ein roter Federbusch.
    »Wir können unmöglich diesen schmalen Pfad nehmen, um den Tross zu überholen«, urteilte ich nach einem Blick ins Tal. »Eugenius wird mich erkennen, wenn ich an ihm vorbeigaloppiere, und ich kann nicht so tun, als sehe ich ihn nicht.«
    »Du willst nicht mit ihm sprechen, bevor du nicht von Luca gehört hast, was die beiden wegen des Evangeliums beredet haben«, vermutete Tayeb.
    »Und ich will nicht, dass er mir liebenswürdig anbietet, unter seinem bewaffneten Schutz zu reisen. Er kann sich denken, dass ich noch mehr Teile des Evangeliums gefunden habe.«
    »Warum sonst bist du so eilig nach Italien zurückgekehrt?«
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Luca ist in Lebensgefahr!«
    Tayeb lenkte sein Pferd ein paar Schritte von der Straße weg und wies auf den dichten Wald unter uns. »Wenn wir hier hinunterreiten, dort im Schutz der Bäume den reißenden Bach durchqueren und da drüben hinter den Felsen den Hügel erklimmen, kann er uns nicht sehen. Wenn wir die Pferde antreiben, sind wir auf der anderen Seite, bevor er an der Furt den Bach überquert hat. Dann kehren wir auf die Straße zurück und reiten weiter nach Florenz.«
    »So machen wir's!«
    Ungeduldig stürmte ich den steilen Abhang hinab zwischen den Bäumen hindurch zum Bach. Tayeb folgte mir mit dem Maultier. Das eisige Wasser spritzte hoch, als ich mein Pferd in die reißenden Fluten lenkte. Durch das scharfkantige Geröll kämpften wir uns ans andere Ufer. Dann stürmten wir den steilen Hang hinauf, duckten uns unter tief hängenden Ästen hindurch und sahen, aus dem Wald hervorbrechend, endlich die Straße vor uns.
    Ein Kardinal mit seinem Gefolge!
    Wir hatten die Spitze des langen Trosses erreicht.
    Ich riss meinen Hengst herum, hieb ihm die Absätze in die Flanken und raste den verschneiten Pfad hinauf.
    »Alessandra d'Ascoli?«, rief jemand hinter mir her.
    Ich drehte mich nicht um, sondern galoppierte mit Tayeb, der das Maultier am Zügel hinter sich herzerrte, die Straße entlang.
    »Alessandra!«
    Dann vernahm ich hinter mir das Hufgetrappel eines galoppierenden Pferdes. Er folgte uns!
    Er war ein guter Reiter, schloss rasch auf und raste nur wenige Pferdelängen hinter uns über den vereisten Weg. Nach wenigen Augenblicken hatte er uns eingeholt. »Alessandra!«, keuchte er. »Wartet! Ich muss dringend mit Euch reden!«
    Dann drängte er sich zwischen Tayeb und mich, lehnte sich mit fliegender Purpursoutane zu mir herüber und riss an den Zügeln meines Hengstes, um ihn zum Stehen zu bringen.
    »Euer Eminenz!«, rief ich, als ich Kardinal Giuliano Cesarini erkannte.
    »Steigt ab, Alessandra! Ich habe Euch etwas zu sagen!« Der Kardinal sprang aus dem Sattel, stapfte durch den tiefen Schnee und zog mein Pferd hinter sich her, weg von der Straße.
    »Euer Eminenz, ich muss dringend nach Florenz!«, protestierte ich energisch. »Mein Vater ist in Gefahr!«
    »Ich weiß«, gestand er ernst. »Eben deshalb muss ich mit Euch reden!«
    Nach einem besorgten Blick die Straße hinunter - wann würden Papst Eugenius und Kardinal Vitelleschi hier eintreffen? - stieg ich vom Pferd und reichte Tayeb die Zügel. Dann folgte ich dem Kardinal ins Unterholz des Waldes.
    Mit geraffter Soutane schritt er voran, zwanzig, dreißig Schritte, kletterte übet umgestürzte Bäume und blieb schließlich auf einer kleinen Lichtung stehen, wo wir von der Straße aus nicht gesehen werden konnten.
    Was wollte er von mir?
    Seit letztem Jahr, seit seiner Rückkehr vom Basler Konzil nach Florenz, residierte Cesarini in einem Palast neben der Santissima

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