Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
seit ich vier Jahre alt war. »Wenn du meine Unterstützung brauchst, wende dich an mich, mein Kind! Ich werde tun, was ich kann.«
»Das ist sehr freundlich von Euch.«
»Es ist das Mindeste, was ich tun kann. Lucas Tod hat sich bereits in der Stadt herumgesprochen. Die Prioren und die Gildemeister sind besorgt. Als Buchhändler war Luca Mitglied in der Arte dei Medici e Speziali, der Gilde der Ärzte und Apotheker. Die Prioren sind nun der Meinung ... es tut mir so leid, mein Kind.«
»Was denn?«
»Lucas Unternehmen ist wichtig für Florenz. Bedeutende Persönlichkeiten treffen sich in seiner Bibliothek. Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt, Botschafter aller Herren Länder, bedeutende Humanisten und Gelehrte. Die Prioren, die Florenz regieren, wollen nicht, dass eine junge Frau das Unternehmen leitet.«
»Was?«
»Scipione Sassetti, der Zunftmeister der Arte dei Medici e Speziali, war vor zwei Stunden bei mir und ließ mich wissen, dass er dir, falls du überhaupt rechtmäßige Erbin bist, den Eintrag ins Gildebuch verweigern wird. Der Zunftmeister der Rechtsanwälte und Notare, der ihn begleitete, kündigte an, dass er in diesem Fall das Testament anfechten wird!«
Das war ein harter Schlag!
»Signore, Ihr wisst, dass ich Lucas Unternehmen während seiner Abwesenheit zweieinhalb Jahre lang erfolgreich geleitet habe! Ich kann ein Unternehmen führen.«
»Die Prioren wissen, dass du es kannst. Aber sie wollen es nicht.«
»Warum denn nicht?«, protestierte ich. »Es gibt andere Frauen, die in Florenz ein Unternehmen führen.«
»Die sind nicht illegitim geboren, sind nicht Töchter eines exkommunizierten Priesters, gehören nicht zur Familie der von der Kirche gebannten Colonna und stehen nicht im Verdacht der Häresie.« Er hob die Hand. »Lass mich bitte ausreden, mein Kind! Diese florentinischen Frauen handeln nicht mit gefährlichen Büchern über Wissen und Glauben, sondern betreiben eine Seidenstickerei oder eine Bäckerei. Sie verkehren nicht mit Päpsten, Kardinälen, Dogen und, wenn am 25. Februar das Unionskonzil beginnt, vielleicht sogar mit dem Kaiser von Byzanz. Die Prioren sind der Ansicht, dass du eine privilegierte Stellung ... eine Machtposition innehast, die dir als Frau nicht zusteht.«
Ich schluckte. »Aber ich habe mir diese Position erkämpft! Mein Leben lang musste ich mich in einer Gesellschaft von gelehrten Männern bewähren! Ich habe nicht Lateinisch, Griechisch, Hebräisch, Französisch und Arabisch gelernt und Bücher über Theologie und Philosophie und die Wissenschaften gelesen, um nun als Nonne in einem Kloster Altardecken zu nähen! Dafür habe ich weder Talent noch Geduld!«
»Alessandra ...«
»Signore, Ihr wisst, dass ich das Unternehmen zusammen mit meinem Vater aufgebaut habe! Ich bin mit Luca durch halb Europa gereist und habe in Klöstern und Bibliotheken seltene Bücher kopiert. Und ich war allein unterwegs, um verschollene Handschriften zu suchen.« Ich holte tief Luft. »Das sind meine Bücher: Ich habe sie gefunden und in monatelanger Arbeit abgeschrieben! Ich habe für sie Strapazen auf mich genommen und immer wieder den Tod riskiert. Mein ganzes Leben habe ich diesen Büchern gewidmet. Es ist mein Unternehmen ...«
»Alessandra, mein liebes Kind!« Leonardo Bruni hob beschwichtigend die Hände.
»... und ich werde darum kämpfen!«, rief ich aus. »Wenn ich in Florenz nicht mehr willkommen bin, werde ich nach Venedig gehen. Der Doge wird mir gewiss helfen, einen Palazzo am Canal Grande zu finden, wo ich meine Bücher in meinem Unternehmen verkaufen kann. Zum Ruhme der Serenissima.«
»Um Himmels willen!«, stöhnte der Kanzler der Republik. »Alessandra, ich verspreche dir: Du bekommst von mir jede Unterstützung, die du brauchst! Ich werde mit den Prioren reden. Dein Exil in Venedig ist gewiss nicht im Sinne von Cosimo. Oder von Papst Eugenius.«
Ich nickte stumm: Es war alles gesagt.
»Ich bringe dich jetzt zu Cosimo.« Er geleitete mich durch den Liliensaal zum Audienzraum des Bannerträgers. Er klopfte an und öffnete die Tür, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Cosimo, bitte entschuldige die Störung!«, begann er. »Alessandra ist eben gekommen.«
Cosimo wirkte traurig und sehr blass. Wie er war auch sein Sohn Piero, der vor dem Schreibtisch saß, in eine tiefrote Robe gekleidet. Der Mann neben ihm trug einen schwarzen Mönchshabit.
Piero erhob sich, umarmte mich herzlich und küsste mich zärtlich auf beide Wangen. »Lucas Tod ist
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