Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
im September fünfzig ...«
»Nein, Cosimo, das ist es nicht. Du bist verheiratet. Piero und ich haben als Kinder zusammen gespielt.«
»Meine Ehe ist nicht glücklich! Lotta und ich teilen seit Jahren nicht mehr das Bett. Wir reden kaum noch miteinander.«
»Ich weiß, wie einsam du dich fühlst. Wie sehr du dich nach Zärtlichkeit sehnst. Glaub mir: Das tue ich auch. Du weißt doch, wie Luca als Vater war. Er hat mich gelehrt, was andere nicht lernen dürfen. Er war stolz auf mich. Er hat mich geachtet und respektiert, weil ich mich bemüht habe, zu werden wie er: vollkommen. Doch niemals hat er mich zärtlich berührt und in den Arm genommen, um mir das Gefühl von Geborgenheit zu geben.
Versteh mich nicht falsch, Cosimo: Ich bin nicht undankbar. Ich weiß, dass Luca meinetwegen alles aufgegeben hat - seinen Dominikanerhabit und den Kardinalspurpur. Und vielleicht sogar den Papstornat. Ich weiß, wie er sich selbst gequält hat, weil er sich seinen Fehltritt nicht verzeihen konnte. Gegeißelt hat er sich! Weißt du, wie schwer es für mich ist, mit dieser Schuld zu leben?
Wissen und Freiheit hat er mir geschenkt. Alles, was ich wollte. Nur nicht seine Liebe!«
Er sah mich betroffen an, schwieg jedoch.
»Cosimo, wie du sehne ich mich nach Herzenswärme und nach Liebe! Aber ich kann nicht in deinem Haus ein- und ausgehen, mit deinen Söhnen am Tisch sitzen und dir dann nach dem Abendessen in dein Schlafzimmer folgen. Es ist Ehebruch! Und es ist Verrat an deiner Frau, die deine Kinder zur Welt gebracht hat! Glaubst du nicht, dass sie sich genauso einsam fühlt wie du? Du vergnügst dich mit mit. Und sie?«
Er wollte etwas sagen, doch ich redete weiter:
»Was ist mit Piero? Seit Monaten flirtet dein Sohn ganz ungeniert mit mir. Er will sich vergnügen, bevor er seine Verlobte Lucrezia heiratet, eine Schar Kinder in die Welt setzt und den treuen Gemahl spielt. Was soll ich deinem Sohn sagen? »Tut mir leid, Piero, aber ich bin die Geliebte deines Vaters‹? Nein, Cosimo, ich könnte deiner Frau und deinen Söhnen nicht mehr in die Augen sehen. Ich könnte mich selbst nicht mehr achten!«
Cosimo wandte sich ab und ging drei, vier Schritte durch den Raum. Dann drehte er sich wieder zu mir um. »Ich weiß, von welcher Scham du sprichst. Kannst du dir vorstellen, wie schwer es für mich war, am Tag nach deiner Abreise mit Luca zu Abend zu essen? Ihm in die Augen zu sehen? Seine Frage zu beantworten, ob ich wüsste, warum du so überstürzt aus Florenz verschwunden bist? Was hätte ich ihm sagen sollen? »Vergib mir, Luca, denn ich habe deine Tochter verführt‹?
Niemals will ich mich rechtfertigen für das, was wir getan haben. Ich habe die Nacht mit dir genossen, Alessandra. Was wir getan haben, können wir nicht ungeschehen machen. Und ich will es auch nicht. Es war wunderschön, in deinen Armen zu liegen! Wir sehnen uns so sehr nach Liebe, dass wir bereit waren, eine viel zu große Schuld auf uns zu nehmen. Aber du hast Recht: Wir dürfen diese Affäre nicht fortsetzen!«
Ich war am Ende meiner Kräfte. Mit zitternden Knien ließ ich mich auf seinen Sessel hinter dem Schreibtisch sinken und barg das Gesicht in meinen Händen.
»Ich will dich nicht verlieren«, flüsterte er traurig.
Ich sah auf. »Das wirst du nicht«, versicherte ich ihm. »Wir werden uns weiterhin jeden Tag sehen. Wir werden im Palazzo Medici zu Abend essen und vor dem Kamin über Gott und die Welt diskutieren. Du wirst mich wie bisher im Palazzo d’Ascoli besuchen, um dich mit Leonardo Bruni, Giuliano Cesarini, Ludovico Scarampo, Fra Antonino und all deinen anderen Freunden zu treffen. Aber wir werden nicht unsere kostbare Freundschaft aufgeben, um eine Affäre zu beginnen, die zum Scheitern verurteilt ist.« Ich legte Lucas Letzten Willen auf den Tisch. »Ich brauche dich, Cosimo. Mehr denn je!«
Er starrte auf den gesiegelten Brief. »Was ist das?«
»Lucas Testament«, erwiderte ich. »Leonardo hat mir vorhin gesagt, dass die Prioren mich nicht als Erbin anerkennen und mir die Mitgliedschaft in der Ärztezunft verweigern, weil ich nicht in der Lage sei, das Unternehmen zu führen.«
Cosimo stöhnte auf. »So ein Unsinn! Selbstverständlich kannst du das!«
»Wusstest du, dass Luca vor elf Tagen sein Testament geändert hat?«
»Nein, woher denn?«, fragte er. »Ich habe ihn vor Weihnachten zum letzten Mal gesehen. Am Abend vor meinem Aufbruch nach Ferrara haben wir beim Abendessen über die Verlegung des Konzils gesprochen.
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