Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
ermordet! Als Papst hätte Scarampo ihm seine Würde zurückgegeben, um die Colonna zu besänftigen. Nein, ich glaube nicht, dass er den blutgetränkten Brief geschrieben hat.«
Dann hielt ich inne und sah Cosimo in die Augen.
»Und wenn der Verfasser nun ein designierter Patriarch ist, den Eugenius erst während der nächsten Sitzung des Konsistoriums offiziell ernennen will?«
»Als ich in Ferrara mit dem Papst sprach, erwähnte er, dass er nach der Kirchenunion neue Kardinäle berufen will. Er erwähnte John Kemp, den Erzbischof von York, Louis de Luxembourg, den Erzbischof von Rouen, und Peter von Schaumberg, den Bischof von Augsburg. Außerdem denkt er über den einen oder anderen orthodoxen Metropoliten nach.«
»Hat er Namen genannt?«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Er will mit den Kandidaten unter vier Augen sprechen, um ihre Meinung zur Kirchenunion und zum Primat des Papstes zu hören.« Er seufzte. »Wen auch immer er zum Kardinal ernennt, keiner von ihnen wird Patriarch werden: Der Ehrentitel des lateinischen Patriarchen von Jerusalem ist bereits vergeben: an Blaise Molin. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Verdächtigen. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, ist nun auch jener mysteriöse Mordauftrag verschwunden?«
»Der Mörder hat ihn mitgenommen, um seine Spuren zu verwischen.«
»Auch ich habe Feinde, die mich ermorden wollen - wie Rinaldo degli Albizzi, der nach meiner Rückkehr aus dem Exil nach Mailand geflohen ist, um Filippo Maria Visconti gegen mich aufzuhetzen. Aber du weißt ja nicht einmal, wer dich bedroht! Jederzeit kann ein Anschlag auf dich verübt werden! Carissima, du brauchst eine bewaffnete Leibwache, die dein Leben schützt! Als Bannerträger kann ich dir ...«
»Nein, Cosimo!«, lehnte ich entschlossen ab. »Das Tor des Palazzos bleibt in den nächsten Tagen bis Lucas Begräbnis geschlossen. Meine Männer sind bewaffnet.«
Er nickte ernst. »Dein Haus wird überwacht. Von einem Benediktiner, der in San Miniato wohnt. Niketas bat mich, Erkundigungen über den Frater einzuholen, der ihn durch ganz Florenz verfolgt hat.«
»Und?«
»Caedmon of Canterbury ist der Sohn eines englischen Earls. Seit letztem September hält er sich in San Miniato auf. Das hat mir der Prior der Olivetaner berichtet.«
»Caedmon of Canterbury?«, fragte ich verwundert. »Ich habe vorhin mit ihm gesprochen. In den nächsten Tagen will er mich besuchen.«
Cosimo runzelte die Stirn. »Was will er?«
»Keine Ahnung.«
»Es wird Monate dauern, beim Erzbischof von Canterbury Erkundigungen über ihn einzuholen! Der Prior von San Miniato wusste nur, dass Frater Caedmon in Montecassino gewesen war, bevor er nach Florenz kam. Ich bezweifle jedoch, dass wir beim Abt von Montecassino mehr über ihn in Erfahrung bringen. Soll ich Caedmon überwachen lassen?«
Ich nickte.
»Ich werde auch mit dem Podestà sprechen, der die Morduntersuchung leitet«, schlug er vor. »Gegen ein Mitglied der florentinischen Kurie kann er nicht ermitteln - Erzbischöfe und Patriarchen unterstehen der päpstlichen Gerichtsbarkeit. Doch vielleicht findet er in Ferrara eine andere Spur.«
»Das hoffe ich!«
»Carissima, du bist in derselben Gefahr wie Luca. Nun verstehe ich, warum dein Vater sein Testament änderte, bevor er nach Ferrara aufbrach, um sich nach all den Jahren mit dem Papst auszusöhnen«, gestand Cosimo ernst.
»Wer ist Lucas Erbe?«, bedrängte ich ihn, bevor Cosimo mich fragen konnte, wieso Luca sich so unerwartet zu dieser schweren Entscheidung durchgerungen hatte. »Erbt Prospero Colonna? Er ist mein nächster Verwandter.«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Dein Vater wollte verhindern, dass sein gesamter Besitz an Kardinal Colonna fällt - und damit an die Kirche. Luca hat einen anderen Erben benannt.«
»Wen?«
»Mich.«
»Dich?«, flüsterte ich.
»Luca vermacht mir alles: das Unternehmen mit der Bibliothek, den Palazzo, den Schmuck deiner Mutter, das Geschirr und das Tafelsilber, die Pferde und das Vermögen auf der Banca Medici. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, bin ich nun um einhundertsechzigtausend Fiorini reicher. Das ist der Wert von Lucas Besitz. Ein gewaltiges Vermögen!«
»Und wenn ich richtig gerechnet habe, bin ich jetzt so arm wie eine Kirchenmaus«, murmelte ich verbittert.
»Nicht ganz.« Cosimo nahm ein eng beschriebenes Pergament vom Schreibtisch und zeigte es mir. Es war ins Testament eingefaltet gewesen. »Dies ist ein Gesellschaftsvertrag zwischen Cosimo de' Medici und
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