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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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und um Vergebung gebetet, weil du deine Gelübde gebrochen hattest. Du hast dich blutig gegeißelt, um dich selbst für die Todsünde der Unkeuschheit zu bestrafen, der Lust, der Liebe und der Leidenschaft. Ich weiß nicht, ob Gott dir je verziehen hat. Aber du selbst hast dir nie vergeben.
    Vor zwanzig Jahren habe ich dich der Kirche entrissen. Von dieser Schuld hast du mich nie befreit, Papa. Ich hoffe, dass Eugenius es kann. Heute Abend werde ich ihn bitten, dir ein christliches Begräbnis zu gewähren. Ich weiß nicht, ob damit meine Schuld gesühnt ist. Aber mehr kann ich nicht tun.
    Und da ist noch etwas, das du wissen solltest: Ich habe mich verliebt. Heute Nacht war ich so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Ich habe geweint, als Niketas mich geküsst hat. Aber es darf doch nicht sein! Er ist Mönch und Priester, so wie du. Mein Verstand sagt mir, dass ich kein Recht habe, ihn zu lieben. Es ist eine Todsünde! Aber mein Herz sagt etwas anderes: Schenk Niketas die Geborgenheit, nach der er sich so sehnt! Tröste ihn, und gib ihm Halt! Fang ihn auf, wenn er stürzt! Sei bei ihm, bis zum letzten Moment seines Lebens.
    Was Niketas für mich empfindet, weiß ich nicht. Nachdem ich ihn heute Nacht verlassen habe, ist er ohne Abschied gegangen. Ich weiß nicht, wieso er geflohen ist. Warum auch immer - es hat mich sehr verletzt!
    Papa, sag mir bitte: Was soll ich tun?«

    Wenig später zog ich mich mit Tayeb in mein Arbeitszimmer zurück, um das Evangelium zu rekonstruieren. Neben mir am Schreibtisch skizzierte er die vier Fragmente auf Pergament, damit ich sie dem Papst zeigen konnte, ohne die Papyrusfetzen aus der Hand zu geben. Ihr Besitz war für mich lebenswichtig!
    Während Tayeb mit kratzender Feder die Form, die Faserstruktur und die griechische Schrift der Fragmente kopierte, die Luca vor seiner Abreise nach Ferrara übersetzt hatte, wühlte ich mich durch die Schriften der Kirchenväter, die er in seinen Notizen erwähnt hatte. Ich verglich eines der Fragmente mit einem Text bei Clemens von Alexandria.
    Mein Freund sah auf. »Hast du etwas gefunden?«
    »Ja, einen Hinweis zur Datierung unseres Evangeliums. Eusebius von Caesarea erwähnt die inzwischen verloren gegangenen Evangelien von Petrus, Thomas und Matthias, zitiert jedoch keines unserer Logien. Auch Hippolytos von Rom und Cyril von Jerusalem kennen ein Thomas-Evangelium. Origines zählt die Evangelien von Basilides, Thomas und Matthias auf. Und bei Clemens von Alexandria fand ich eben ein Logion, das dem aus der versunkenen Synagoge ähnelt. Clemens verrät leider nicht, ob es aus einem häretischen Evangelium stammt.«
    »Wir wissen also nicht, welches Evangelium wir gefunden haben.«
    »Nein, aber wir wissen, dass diese Logien sehr alt sind. Clemens war ein griechischer Theologe, der um das Jahr 150 in Athen geboren wurde und um 215 in Alexandria starb. Wie ich bereits vermutet hatte, datiert dieses Logion also tatsächlich aus der Zeit vor dem zweiten Jahrhundert. Luca glaubte, dass es noch weitaus älter ist - vielleicht das älteste der Evangelien.«
    Tayeb steckte die Feder ins Tintenfass und wischte sich die Finger an einem Tuch ab. »Und was denkst du?«
    »Dass er Recht hatte. Diese Sprüche sind älter als die Evangelien.« Ich nahm eines der Fragmente und las: »Jesus sprach: Erkenne, was vor deinem Angesicht ist, und das, was für dich verborgen ist, wird sich dir enthüllen. Denn es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar werden wird.«‹
    Dann schlug ich eine Stelle im Markus-Evangelium auf.
    »Siehst du, Tayeb? Derselbe Spruch! Markus hat ihn in einem Gleichnis zitiert ... ebenso wie Lukas.« Ich zeigte Tayeb die Textstelle, dann blätterte ich etliche Seiten zurück. »Und auch Matthäus erwähnt diesen Spruch, allerdings in einem anderen Zusammenhang: in einer Ermutigung zum Bekenntnis in Verfolgungen.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Dass drei von vier Evangelisten dieses Logion kannten, als sie ihre Frohe Botschaft verfassten - dass es also älter ist. Dass zwei von ihnen dieses Logion zu einem Gleichnis umgestalteten und dass einer es in einem anderen Kontext verwendete. Und dass alle drei den Sinn des Logions veränderten.«
    »Und welcher ist das?«
    »Die Offenbarung des Verborgenen ist keine Gabe Gottes, sondern die Folge menschlichen Strebens. Von Erkenntnis - was auf Griechisch Gnosis heißt.«
    Tayeb lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Du behauptest also, dass die Evangelisten aus

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