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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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gehalten habt, Alessandra. Mein Bruder starb in meinen Atmen.«
    »Mein Gott, das tut mir so leid«, flüsterte sie erschüttert und ergriff meine Hand.
    »Ich danke Euch für Euer Mitgefühl.« Ich zog ihre Finger an meine Lippen und küsste sie zart.
    Tränen funkelten in ihren Augen, als sie den Blick abwandte.
    War ich zu weit gegangen?
    »Bitte verzeiht mir, Alessandra, wenn ich ...«
    »Ich bin es nicht gewohnt, derart berührt zu werden.«
    »Ich auch nicht.«
    Mit einem traurigen Lächeln küsste sie meine Hand. Welch sinnliche Berührung! Sie war mir so nah, so gefährlich nah!
    In jener Nacht, als Maria sich weinend in mein Bett flüchtete und bei mir Trost suchte, hatten ihre Hände und Lippen mich bis zur Ekstase erregt. Nur mühsam hatte ich mich beherrschen können, um nicht in ihren Armen schwach zu werden und mich meiner Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Liebe hinzugeben. So gern ich damals mit Maria geschlafen hätte: Ihren Herzenswunsch nach einem Kind konnte ich nicht erfüllen. Die Gefühle, die Alessandra nun in mir entfachte, waren nicht weniger intensiv.
    Unvermittelt ließ sie meine Hand los und erhob sich vom Rand meines Bettes, um zum erloschenen Kamin hinüberzugehen. Sie schob den Sessel ganz nah ans Bett, setzte sich und zog fröstelnd ihr Gewand um die angezogenen Knie. Ihr Lächeln war verweht und einer tiefen Traurigkeit gewichen.
    »Warum seid Ihr Priester geworden, Niketas?«, fragte sie, als müsse sie sich bewusst werden, dass ich die Gelübde abgelegt hatte. Sie wirkte enttäuscht.
    »Weil ich mit achtzehn aus dem Palast ins Kloster geflüchtet bin. Manuel war ganz und gar nicht glücklich, dass ich mich weigerte, Prinzessin Sophia Palaiologina zu heiraten.«
    »Und wieso seid Ihr geflohen?«, fragte sie erstaunt.
    »Tausendundein Gründe.«
    »Hieß einer dieser Gründe Sophia?«
    »Sophia ist eine liebenswerte junge Frau im Gefolge der Basilissa. Ich mag sie sehr gern. Doch ich liebe sie nicht, und sie liebt mich nicht.«
    Diese Ehe wäre gescheitert. Seit zwei Jahren war sie die Geliebte des Basileus. Sophia hatte Ioannis nach Italien begleitet, weil mein Bruder hoffte, mit seiner Cousine einen Erben zu zeugen - bisher vergeblich!
    »Und die tausend anderen Gründe?«
    Ich zögerte. Warum erzählte ich ihr das alles? Weil ich das Gefühl hatte, dass sie sich für Niketas interessierte, nicht für den Prinzen von Byzanz und Metropoliten von Athen mit all seinen Ehrentiteln. Weil ich ihre Anteilnahme und ihre Wärme brauchte wie ein Erfrierender das lodernde Feuer - auch wenn ich Gefahr lief, mir die Finger zu verbrennen.
    »Alle meine Brüder waren unglücklich verheiratet. Ioannis' Gemahlin Anna von Moskau starb im Alter von fünfzehn Jahren an der Pest. Seine zweite Ehefrau Sophia von Montferrat machte ihm das Leben zur Hölle. Die beiden hassten sich derart, dass sie den Anblick des anderen nicht ertrugen. Schließlich floh die Basilissa aus Byzanz. Alle drei Ehen des Basileus, auch die mit der jetzigen Kaiserin Maria Komnena, sind kinderlos geblieben.
    Theodors Ehe mit Cleope, einer Cousine von Papst Martin, war ebenso unglücklich wie die von Konstantin und Thomas. Demetrios ist mit fünfunddreißig bereits Witwer. Die Nachricht vom Tod seiner Frau erhielt er an dem Tag, als der Doge uns in Venedig willkommen hieß. Nach dem Empfang durch den Dogen ist er zusammengebrochen. Seine Frau war schwanger gewesen, und Demetrios hatte sich sehr auf sein erstes Kind gefreut. Ein Stammhalter der Dynastie der Palaiologoi, der vielleicht eines Tages das Reich erben konnte!«
    Alessandra hob sieben Finger - sie hatte mitgezählt. Sieben unglückliche Ehen und kein Erbe für das Byzantinische Reich! »Und die anderen neunhundertdreiundneunzig Gründe?«
    »Wie viele davon muss ich beichten, bis Ihr mir die Absolution erteilt?«, lachte ich.
    Sie lächelte verschmitzt. »Nur einen! Warum seid Ihr ins Kloster geflohen?«
    »Ich bin Mönch geworden, weil ich die Machtkämpfe und die Intrigen in der kaiserlichen Familie nicht mehr ertragen konnte. Weil ich mich nach Geborgenheit und Liebe sehnte, die ich im Kaiserpalast nicht fand.
    Mein Bruder Demetrios hasst mich, weil sein Vater mich, das Waisenkind aus dem Armenviertel, wie sein eigenes Kind behandelte. Demetrios glaubt, dass der Kaiser mich mehr achtete als ihn, denn er erwählte mich als seinen Sohn. Das hat ihn sehr gekränkt. Seinen Zorn ließ er an mir aus. Als wir zehn waren, beschimpfte er mich als ›verdammten Juden‹ und

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