Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
deines Palazzos und habe Luca mit dem Ordensgewand der Dominikaner gesehen. Ich war bestürzt. Du wirst Eugenius bitten, die Exkommunikation aufzuheben, nicht wahr?«
»Ich will, dass er meinem Vater ein christliches Begräbnis in San Marco gewährt. In der Kirche seines Ordens. Mit Glockengeläut und einer Totenmesse durch Fra Antonino. Mit einer Gedächtnisrede, in der Lucas Verdienste gewürdigt werden. Und mit Gebeten für sein Seelenheil.«
Piero trat zu uns. »Nur äußerst ungern störe ich euer trautes Beisammensein. Doch Seine Heiligkeit naht, und wir müssen unsere Plätze einnehmen.«
Cosimo wünschte mir von ganzem Herzen Glück für die bevorstehende Papstaudienz und begab sich zu seinem Sessel auf der Tribüne neben der Kathedrale. Galant reichte mir Piero seinen Arm und geleitete mich zu meinem Platz gegenüber dem erzbischöflichen Palast.
»Sandra, was ist zwischen dir und meinem Vater?«, fragte er plötzlich.
Ich zuckte zusammen. »Nichts!«, beteuerte ich.
»Du lieber Himmel! Ich sehe doch, wie er dich ansieht.«
»Piero, ich ...«
»Warum bist du so überstürzt nach Alexandria aufgebrochen? Du wolltest doch erst nach Weihnachten abreisen! Wieso hat Cosimo dir nur ein paar Tage später einen Brief nachgesandt? Was hatte er dir zu sagen, das ihr beide nicht an jenem Abend vor deinem Aufbruch hättet besprechen können?«
Als ich schwieg, blieb er stehen und hielt mich am Arm fest. »Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, wie er dich gestern mit Tränen in den Augen anstarrte, als du Niketas zum Abendessen eingeladen hast? Mein Vater und du - ihr wart miteinander im Bett, nicht wahr? Ihr habt eine Affäre!«
»Piero, das ist nicht ...«
»Glaub mir, Sandra: Ich gönne meinem Vater sein Vergnügen von ganzem Herzen. Wenn er sich mit fünfzig eine junge Geliebte in sein Bett holt, um mit ihr die Freuden der Liebe zu genießen, ist das seine Sache. Aber ausgerechnet dich, die Tochter seines Freundes?«
»Halt mir keine Moralpredigt, du größter aller Herzensbrecher! Wenn du hin und wieder in deinem eigenen Bett schlafen würdest, wüsstest du, dass du keinen Grund hast, auf deinen Vater eifersüchtig zu sein. Wir haben keine Affäre!«
Ich sah ihm an, dass er mir kein Wort glaubte. »Aber er hat dich verführt, nicht wahr? Sandra, mein Schatz, du kennst meinen Vater lange genug, um zu wissen, dass er nicht mehr aufgibt, was er einmal besessen hat.«
»Piero, mein Liebster, nach all den Jahren solltest du mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich mich nicht besitzen lasse!«
Cosimos Sohn grinste verschmitzt. »Das freut mich!«, neckte er mich mit funkelnden Augen. Dann rieb er seine Nase zärtlich an meiner Wange und raunte: »Dann darf ich ja weiter hoffen, dass du mich eines Tages doch noch in dein Bett bitt...«
»Sollte ich ernsthaft in Erwägung ziehen, dich zu meinem Liebhaber zu machen, werde ich es dich wissen lassen!«, erklärte ich ungnädig und ließ Piero stehen, der sich nur mühsam ein Lachen verkneifen konnte.
Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn abwies, aber Piero nahm es mir nie übel. Seit wir uns als Kinder während eines hitzigen Streits im Garten von San Marco gegenseitig in die Brennnesseln geschubst hatten, waren wir Freunde. Piero vertraute mir alle seine aufregenden Liebesabenteuer an. Er wollte seine Freiheit in vollen Zügen genießen, bevor er in einigen Monaten seine Verlobte Lucrezia heiratete.
Ich suchte meinen Platz in der ersten Reihe der Tribüne. Seite an Seite kämpften sich Tito und Alexios durch die Menge zu mir herüber. Tayeb, der keine drei Schritte von mir entfernt stand, beobachtete äußerst wachsam die Mönche auf der Piazza del Duomo. Seine Schultern waren angespannt, seine Hand ruhte auf dem Griff des Schwertes.
Mir gegenüber, auf der anderen Seite des geschmückten Steges, stiegen die Kardinäle mit ihren prächtig bestickten Brokatgewändern und hohen Mitren die Stufen der Tribüne empor. Ich erkannte Kardinal Niccolò Albergati, den Vorsitzenden des Unionskonzils. Er unterhielt sich mit Ambrogio Traversari, der als Kardinallegat nach Konstantinopolis gereist war, um Kaiser Ioannis zum Konzil einzuladen.
Giuliano Cesarini hatte mich gesehen. Er legte die Hand aufs Herz und neigte den Kopf - er wusste von Lucas Tod! Ich signalisierte ihm, dass ich ihn dringend sprechen musste, und er wies in Richtung des Palazzo d'Ascoli. Ich nickte.
Ludovico Scarampo, der Erzbischof von Florenz, geleitete den Metropoliten von Athen auf die
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