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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Tribüne der Kardinäle.
    Ich hätte Niketas beinahe nicht erkannt! Er trug eine hohe Haube mit Schleier und einen mit Kreuzen bestickten golddurchwirkten Umhang mit langer Schleppe. Darunter schimmerte das Omophorion, das bestickte Brokatband als Symbol seiner kirchlichen Autorität als Stellvertreter Christi.
    Serafino blieb, vermutlich auf Niketas' Wunsch, in seiner Nähe. Er führte ihn die Stufen hinauf zu Cesarini, der ihn mit dem Friedenskuss begrüßte, und ordnete die lange königsblaue Schleppe. Als er mich erblickte, winkte er mir zu.
    Niketas wurde auf mich aufmerksam.
    Wie ernst er war, und wie undurchdringlich seine Miene! Doch welcher Sturm der Gefühle tobte in seinem Innersten!
    Dann ritt unter den Jubelrufen der Menge, der Musik der Trommler und dem Dröhnen der Glocken von Santa Maria del Fiore der Papst mit seinem Gefolge auf den Domplatz. Cosimo erwartete ihn vor der Kathedrale, kniete nieder und hielt den Steigbügel des Pontifex, während der von seinem Pferd stieg.
    Eugenius war eine eindrucksvolle Gestalt, hoch gewachsen und asketisch schmal. Er trug den Pontifikalornat aus weißgoldenem Brokat und eine schlichte weiße Mitra. Sehr würdevoll schritt er zu den letzten Glockenschlägen die Stufen zur Kathedrale hinauf und wandte sich zu den Menschen auf der Piazza del Duomo, der Loggia del Bigallo, an den Fenstern der umliegenden Palazzi und in den Seitenstraßen um. Mit lauter Stimme erteilte er den Segen Urbi et Orbi: »Sancti Apostoli Petrus et Paulus, de quorum potestate et auctoritate confidimus, ipsi intercedant pro nobis ad Dominum ...«
    Anschließend begab sich der Papst in die Kathedrale, gefolgt von Cosimo als Staatsoberhaupt der Republik Florenz und einer langen Prozession von Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen.
    Als ich mit Alexios und Tito die Basilika von Santa Maria del Fiore betrat, staunte ich: Zu beiden Seiten des Hauptschiffs waren für die bevorstehenden Konzilssitzungen Tribünen mit gepolsterten Sitzen errichtet worden. Vor dem geschmückten Altar stand ein Podest für den Pontifex und die Kardinäle.
    Eugenius hatte sich auf einem ganz mit weißem und goldenem Damast bezogenen Thronsessel niedergelassen, der auf der Seite der Kathedrale stand, wo das Evangelium verlesen wurde. Ihm gegenüber war ein purpurner Thron für den Kaiser aufgestellt worden. In wenigen Tagen würde er in Florenz eintreffen.
    Scarampo beugte sich zu Eugenius hinab und tuschelte mit ihm. Der Papst blickte zu mir herüber und gab seinem Vertrauten einige Anweisungen. Wenig später trat ein Diakon zu mir und bat mich, ihn zu begleiten. Beunruhigt ließ ich Alexios und Tito auf der Tribüne zurück. Ich warf einen forschenden Blick auf Fratet Caedmon of Canterbury, der unweit von mir an einer Säule lehnte, und folgte dem Kirchendiener durch das Hauptschiff zu einem Sessel in der Nähe der Würdenträger der Kirche.
    Der Erzbischof kam zu mir herüber, und ich erhob mich, um ihn zu begrüßen. »Euer Exzellenz!«
    Ludovico Scarampo, ein ehemaliger Medicus aus Padua, der auf einen kometenhaften Aufstieg am päpstlichen Hof zurückblicken konnte, war einundvierzig Jahre alt, hoch gewachsen und kräftig. In seinem kurzgeschnittenen, lockigen Haar schimmerten die ersten grauen Strähnen.
    Sein extravaganter Lebensstil hatte Spuren in seinem Gesicht hinterlassen - seine üppigen Gastmahle im erzbischöflichen Palast waren berüchtigt. Sinnlichen Genüssen wie ausgefallenen Speisen, exzellentem Wein und erotischen Abenteuern mit attraktiven jungen Männern, die halb so alt waren wie er, war Scarampo nicht abgeneigt. Vor dem Konzil hatte er Serafino monatelang nach allen Regeln der Liebeskunst umworben, war jedoch immer wieder abgewiesen worden. Trotz seiner Aufsehen erregenden sexuellen Eskapaden, die die Geduld des sittenstrengen Eugenius auf eine harte Probe stellten, war der Erzbischof von Florenz neben Giovanni Vitelleschi der engste Vertraute Seiner Heiligkeit.
    Er reichte mir die Hand. »Mein aufrichtiges Beileid, Alessandra! Lucas Tod hat mich ins Herz getroffen. Seine Heiligkeit ist zutiefst erschüttert. Erst vor einer Stunde hat er von dem Mord erfahren. Vor nicht einmal einer Woche war Luca noch bei ihm in Ferrara. Der Heilige Vater freut sich, Euch nach der Messe in seinen Gemächern zu empfangen.«
    »Danke, Euer Exzellenz.«
    »Ihr werdet abgeholt und unter bewaffnetem Geleitschutz nach Santa Maria Novella eskortiert. Wir sehen uns dann später.« Er nickte mir zu und kehrte an seinen

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