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Der vergessene Strand

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Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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passieren.

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    Kapitel 24
    A n diesem Abend blieb sie lange bei Jonathan. Nachdem er ihr die ganze Geschichte erzählt hatte, machte ihr Großvater auf Amelie einen geradezu aufgeräumten Eindruck. Als habe es ihm eine große Last von den Schultern genommen, ihr endlich die Wahrheit zu sagen.
    Sie saßen im Wohnzimmer, und Jonathan erzählte von Amelies Kindheit, von jenen fünf Jahren, die in ihrer Erinnerung nicht mehr existierten. Er schaffte es, Patrick für sie wieder lebendig zu machen, bis sie sich einredete, dass sie sich vielleicht doch an ihn erinnern konnte.
    So war es ziemlich spät, als sie sich auf den Heimweg machte. Jonathan bot ihr zwar an, im Gästezimmer zu übernachten, aber ihr eigenes Bett drüben im Strandhaus war ihr lieber. Sie wollte nachdenken. Mit sich allein sein.
    Auf dem Rückweg fuhr sie an der Apotheke vorbei. In der Küche darüber brannte noch Licht – um halb zwei in der Nacht. Amelie bremste ab und schaute nach oben, fünf Minuten lang. Das Licht brannte weiter. Es kam ihr vor, als sei es eine Einladung. Sie hatte Jonathan angelogen: Allein sein wollte sie nicht, aber sie wollte ihre Gedanken und Erinnerungen in eine vernünftige Ordnung bringen, bevor sie weitere Anekdoten hörte. Schon jetzt hatte sie das Gefühl, ihr Kopf müsste platzen.
    Eines hatte sie heute aber gelernt: dass das Leben irgendwann ohne Rücksicht auf die erlittenen Verluste an den Menschen vorbeizog. Wer nicht aufpasste, verlor alles, ehe er es wirklich fassen konnte.
    Sie stellte das Auto ab und überquerte die Straße, auf das Licht in der Küche zu.
    Vielleicht konnte Dan ja auch nicht schlafen, dann konnten sie gemeinsam den Mond anheulen.
    Als sie geklingelt hatte, bereute sie es fast sofort wieder, aber jetzt war es zu spät. Bestimmt dachte er, es sei ein Notfall für die Apotheke. Aber wenn sie weglief, würde er sie sehen.
    Keine dreißig Sekunden später polterten seine Schritte auf der Treppe, dann ging die Tür auf, und er stand vor ihr: die Jeans abgewetzt, die Füße nackt und das schwarze T-Shirt gerade so knapp über dem Oberkörper, dass es die weibliche Phantasie anregte.
    «Hallo», sagte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel.
    «Amy!»
    «Ich hab noch Licht gesehen.»
    Er schaute sie lange an. «Ich kann nicht schlafen.»
    Darauf wusste sie nichts zu erwidern.
    «Komm doch mit rauf. Du solltest um diese Zeit auch nicht mehr durch die Straßen geistern.»
    Sie folgte ihm nach oben. Musik drang aus der Küche. Auf dem Tisch stand eine Flasche Wein mit einem verlorenen Glas, fast leer. Die Balkontür war offen.
    «Hast du Hunger?»
    Sie schüttelte den Kopf, setzte sich an den Tisch, und Dan holte ihr eine Karaffe Wasser.
    «Ich habe dich vermisst», sagte er leise. Er goss sich den Rest aus der Flasche ins Glas. «Ich glaube, ich muss dir einiges erklären.»
    «Nein», widersprach Amelie. «Erklär mir nichts. Ich glaube, ich hab schon verstanden.»
    Das Schweigen zwischen ihnen war längst nicht mehr so wohltuend wie einst, und Amelie wollte jetzt doch was essen. Sofort sprang Dan auf und kümmerte sich darum. Aus dem Kühlschrank holte er Aufschnitt, aus dem Brotkasten frisches Brot mit dunkler Kruste. «Hat Felicity gebacken», bemerkte er. Sauerrahmbutter und Käse, frische Kresse im Töpfchen und ein hastig aus Tomaten, roten Zwiebeln und Olivenöl zusammengerührter Salat. Das Essen vertiefte ihr gemeinsames Schweigen nur, doch danach ging es Amelie viel besser. Und sie wurde müde. So müde, dass die Vorstellung, gleich ins Auto steigen und die fünf Kilometer zum Strandhaus fahren zu müssen, plötzlich zu viel für sie war.
    Wäre sie doch bei Jonathan geblieben …
    «Eigentlich wollte ich nicht mehr herkommen», sagte sie müde.
    «Das musst du mir erklären. Du weißt, hier bist du immer willkommen.»
    Sie zuckte mit den Schultern. «Das war einfach so ein Gefühl. Weil …»
    «Wegen Felicity? Und weil wir beide ein paar Nächte in einem Bett geschlafen haben?»
    Mehr als ein Schulterzucken brachte sie nicht zustande.
    «Ich weiß jetzt, was mit meiner Familie passiert ist. Und das, was da passiert ist, empfinde ich als so traurig und schmerzhaft, dass ich dachte, es bringt doch nichts, wenn man sich von den Menschen fernhält, die man mag.»
    Dan schwieg. Er stand auf und holte sich noch eine Flasche Wein. War das seine zweite oder dritte? Sie fragte nicht, doch es kam ihr so vor, als sei er etwas unsicher auf den Beinen.
    «Und ich mag dich. Ich

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